In den ersten Monaten dieses Jahres erlebten wir mehrere Vertrauenskrisen des klassischen Finanzsystems. Das schnelle Anheben der Zinsen durch die Zentralbanken in den USA und Europa sorgte dafür, dass eine Reihe US-Banken an den Rand des Abgrunds oder auch schon einen Schritt weiter standen. Das Gespenst einer Finanzkrise, wie wir sie im Jahr 2008 erlebt haben, ging um. In der Folge ist der Kurs des Bitcoin und anderer digitaler Währungen um über 60 Prozent gestiegen. Damit machten die Kryptos ihrem Ruf als „digitalem Gold“ alle Ehre. Ein bekannter Mechanismus trat in Kraft: Schwindendes Vertrauen in das Funktionieren des etablierten Finanzsystems erhöht die Nachfrage nach alternativen Assets, deren Werte unabhängig von diesem gesehen werden.
Kryptowährungen als eigene Anlageklasse?
Bitcoin und Co. als sicherer Hafen? Für manchen Anleger mag das zunächst grotesk klingen. Schließlich standen die digitalen Assets zuletzt für extreme Kursausschläge. Aber für einen Portfoliomanager ist es letztlich ein Segen, wenn Assets nicht im Gleichschritt marschieren. Dabei hält sich seit längerem das Gerücht, Kryptowährungen wiesen eine hohe Korrelation mit Aktienmärkten auf. Die meisten Asset-Allokation-Strategen geben allerdings nicht viel auf Gerüchte, sondern interessieren sich für Fakten. Deshalb haben wir uns einmal die Mühe gemacht, die Auswirkungen eines Krypto-Exposures auf die Performance genauer unter die Lupe zu nehmen.
Das Ergebnis vorab: Die Beimischung von Kryptowährungen in Höhe von drei oder fünf Prozent eines Gesamtportfolios hätte sich auf lange Sicht gelohnt. Der Einfluss auf das Portfoliorisiko war überschaubar, die Renditen des gesamten Portfolios lagen durch die Einbeziehung von Bitcoin deutlich höher.
Für die Analyse wurde ein typisches 60/40-Portfolio simuliert. Die Risikokomponente wird durch Aktien-ETFs, etwas Gold-ETC und eine Prise Rohstoff-ETF abgebildet. Die Aufteilung von Aktien auf Industrieländer und Schwellenländer beträgt zwei Drittel zu einem Drittel. Das Risiko des Portfolios wird begrenzt mit einem ETF auf Euro-Staatsanleihen gemischter Laufzeiten. Das entspricht in etwa der Verteilung vieler professioneller Depots. Die genaue Zusammensetzung des Beispielportfolios hat wenig Einfluss auf das Endergebnis der Analyse.
Geringer Portfolioanteil reicht schon aus
Im Vergleichsportfolio wurden Industrieländer-Aktien durch Kryptowährungen mit fünf Prozent Anteil am Gesamtportfolio ersetzt. Da Aktien-ETFs auf Industrieländer zuletzt sehr US- und Tech-lastig waren, wurde in dieser Analyse dieser Teil für die neue Krypto-Beimischung reduziert. Ein gewisser Zusammenhang zwischen Tech- und Kryptowerten ist kurzfristig erkennbar, über einen längeren Zeitraum verschwindet dieser zusehends. Der geringe Zusammenhang deutet auf einen Mehrwert bei der Portfolio-Diversifikation hin.
Damit Renditequellen und Risikoabsicherung bei unterschiedlicher Wertentwicklung weiterhin funktionieren, wurde das Portfolio einmal im Jahr einem Rebalancing unterzogen. Die märchenhaften Renditen der ersten Krypto-Jahre haben im Analyse-Portfolio auch ihren Niederschlag gefunden und über zehn Jahre auch bei geringer Beimischung traumhafte Renditen beschert. Die auf fünf Jahre verkürzte Betrachtung dürfte eine höhere Aussagekraft für künftige Entwicklungen haben: Hier gab es bei Bitcoin ausreichend unterschiedliche Marktphasen, die den Erkenntnisgewinn fördern können: Eine lange Durststrecke, zwei Hypes und der „Krypto-Winter“ vom Sommer 2022 bis zum Jahresende. Einem starken Wandel waren auch die anderen Assets ausgesetzt: Pandemie, Ukrainekrieg, Lieferkettenprobleme, Rohstoffknappheit und Zinswende.
Die absoluten Wertzuwächse lagen beim Portfolio mit Krypto-Beimischung über fünf Jahre (2018 bis 2023) 21 Prozentpunkte über dem Portfolio ohne Krypto – ein signifikanter Unterschied. Die zeitgewichtete Rendite stieg von 4,9 Prozent auf 8,2 Prozent pro Jahr. Der Preis für die höhere Rendite war ein erhöhtes Risiko, was von 20,5 auf über 25,5 im Gesamtportfolio anstieg.
Bitcoin ist nicht alleine
Für die Analyse wurde wegen der vergleichsweisen guten Verfügbarkeit der Zeitreihe ausschließlich Bitcoin verwendet. Eine zukunftsgerichtete Strategie sollte jedoch auch andere Währungen berücksichtigen. Trotz hoher Korrelation könnten in Einzelfällen aussichtsreiche neue Währungen für erhebliche Wertsteigerungen sorgen. Hier bietet sich eine Beimischung mithilfe eines Indexproduktes an. ETC Group hat kürzlich den ersten Krypto-ETP auf den MSCI Digital Assets Top 20 Capped Index gestartet. Der Profi-Index sorgt für Diversifikation innerhalb der Anlageklasse Kryptowährungen. Er begrenzt die Dominanz einzelner Währungen auf maximal 30 Prozent, ist ansonsten nach Marktkapitalisierung gewichtet und wird einmal im Quartal angepasst – ganz im Sinne passiver Anleger.
Fazit: Kryptowährungen werden heute vielfach und zurecht als eine neue, eigene Anlageklasse gesehen, die in ein vernünftiges, langfristig orientiertes Buy & Hold-Portfolio integriert werden kann. Insofern können Kryptos genauso wie Gold via ETF dem eigenen Depot beigemischt werden.
