Seit über 22 Jahren sind ETFs an Europa Börsen gelistet, seit 1993 bereits in den USA. Der Markt ist seither stark gewachsen auf weltweit über neun Billionen US-Dollar an verwaltetem Vermögen. Europäische ETFs machen davon rund ein Sechstel aus. In Europa gelten institutionelle Investoren als überwiegende Nutzer von ETFs, auch wenn viele privat Anlegenden inzwischen ein Depot mit einem Sparplan auf den „MSCI World“ eingerichtet haben. In den USA ist man schon viel weiter fortgeschritten: Dort sind ETFs längst in privaten Depots angekommen.
Wie nutzen professionelle Investoren in Europa nun ETFs? Welche Herausforderungen bereitet das aktuelle Umfeld aus Pandemie, geopolitischen Konflikten und Inflationsängsten? Diese Fragen waren Teil der jährlichen Umfrage des ETF-Analysehauses Trackinsight. Die Zeiten könnten kaum anspruchsvoller sein. Daher wollten wir die Ansätze und Bedenken der ETF-Anleger beleuchten, während sich die Welt um sie herum verändert.
Die aktuelle ETF-Umfrage, die im Juni 2022 veröffentlicht wird, gibt einen umfassenden Überblick darüber, wie Institutionen ETFs in ihren Portfolios einsetzen. Beantwortet haben uns die Umfrage 347 institutionelle Anleger aus 20 Ländern, die ETFs im Wert von umgerechnet 415 Milliarden US-Dollar verwalten.
Vermögensverwalter, Family Offices und Finanzberater sind auch in diesem Jahr die am stärksten vertretene Gruppe von Institutionen in unserer Umfrage. Die Teilnehmerbasis ist jedoch vielfältiger als je zuvor: Dieses Jahr waren noch mehr Pensionsfonds, Stiftungen und Fonds dabei und machen inzwischen ein Achtel der Befragten aus.
Strategischer Einsatz von ETFs im Gesamtportfolio
Aktien sind nach wie vor die am stärksten vertretene Anlageklasse bei der ETF-Allokation der befragten professionellen Anlegerbasis. Die überwältigende Mehrheit der Befragten (90 Prozent) gibt an, einen Teil ihres Portfolios über börsengehandelte Produkte in Aktien investiert zu haben, und fast ein Drittel von ihnen hat mehr als 60 Prozent ihres Portfolios in Aktien-ETFs angelegt.
Anleihen- und Rohstoff-ETFs folgen, allerdings in geringerer Gewichtung. Zwar geben mehr als zwei Drittel der befragten Anleger an, dass sie Anleihen-ETFs halten. Dieser Anteil machte aber bei den meisten von ihnen einen Anteil von weniger als 20 Prozent in den Portfolios aus. Dies gilt auch für Rohstoff-ETFs, die oft weniger als zehn Prozent in den Portfolios der Anleger ausmachen, sofern überhaupt ein Engagement in Rohstoff-ETFs eingegangen wird.

Wir haben auch gefragt, wie Anleger in Zukunft investieren werden: Rohstoff-ETFs erwiesen sich dabei als zweitwichtigste Anlageklasse nach Aktien-ETFs. Trotz des bereits hohen Aktien-Anteils in den Portfolios gaben über 40 Prozent der Befragten an, dieses Engagement in den kommenden Jahren sogar noch weiter ausbauen zu wollen.
Anders bei Anleihen-ETFs: Hier wurde am häufigsten die Absicht geäußert, das Engagement zu verringern (13 Prozent der Befragten). Darin könnten sich die negativen Auswirkungen des derzeitigen rasanten inflationären Umfelds und seine Auswirkung auf festverzinsliche Anlagen widerspiegeln. Wenn die Zinsen steigen, werden traditionelle, passive festverzinsliche ETFs für die Anleger weniger attraktiv, aber der Anstieg der aktiv verwalteten festverzinslichen ETFs könnte dazu beitragen, diesen Trend zu bremsen.
Andere Anlageklassen wie Volatilität und Kryptowährungen wecken ebenfalls das Interesse professioneller Anleger. Mehr als zehn Prozent der Befragten gaben an, dass sie ihr Engagement in diesen alternativen Anlageklassen mit Hilfe von ETFs wahrscheinlich um mehr als 20 Prozent erhöhen werden.
Die langfristige strategische Vermögensallokation steht weiterhin für die häufigste Anwendung von ETFs in den Portfolios professioneller Anleger (65 Prozent der Befragten). Dies spiegelt die Beliebtheit von Buy&Hold und passivem Investieren wieder, mit der ETFs ursprünglich erfolgreich waren. Ausgehend von der Beobachtung, dass es vielen aktiven Managern schwer fällt, Alpha zu generieren, setzen viele Investoren lieber auf ausgewogene Portfolios aus einer Handvoll günstiger ETFs, die bekannte Marktindizes abbilden. Diese einfache, langfristige Strategie auf der Grundlage von ETFs wurde (und wird) von vielen Befragten als beste Anlagelösung für Endanleger gesehen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass alle ETF-Portfolios langweilig sind. Die zweitbeliebteste Verwendung von ETFs unter professionellen Anlegern ist das Engagement in einem bestimmten Thema, Sektor oder Faktor. Und drittens werden ETFs gerne zur taktischen Vermögensallokation eingesetzt, bei der die Zusammensetzung des Portfolios je nach Marktlage dynamisch verändert wird.
Seit vielen Jahren verzeichnen Investmentfonds Abflüsse, während ETFs Zuflüsse verzeichnen, so dass es nicht schwer ist, daraus zu schließen, dass in den Portfolios der Anleger ein Wandel stattfindet. Dies wird in unserer Umfrage bestätigt, da mehr als die Hälfte der Befragten angaben, dass sie ETFs als Ersatz für aktive oder passive Investmentfonds verwenden.
Dieser Trend nimmt, verglichen mit den Vorjahren, auch noch weiter zu. Dabei spielen niedrige Kosten, Transparenz, Flexibilität und einfache Diversifikation mithilfe von ETFs eine große Rolle. Als wichtigstes Merkmal für die Produktauswahl nannten die Anleger denn auch die Produktkosten. Hohe Verwaltungsgebühren können die langfristige Wert- entwicklung eines Portfolios beeinträchtigen oder sogar verschlechtern – wichtig erscheint vielen Anleger daher, Kosten zu senken und diese in Grenzen zu halten.
Als weitere wichtige Gründe für die zunehmende Nutzung von ETFs nannten die Profi-Anleger die einfache Handelbarkeit von ETFs, die einfache Diversifikation mit ETFs sowie die das große Angebot von spezialisierten Strategien wie ESG-, thematischen und aktiven Strategien.

Aktiv verwaltete ETFs: Beliebter, aber nicht in der Breite
Aktiv gemanagte ETFs sind die nächste Hoffnung der ETF-Anbieter. Die Vorteile einer billigen, flexiblen und liquiden Hülle soll kombiniert werden mit dem Versprechen von Alpha-Generierung. Zu höheren Verwaltungsgebühren natürlich.
Aktive ETFs sind ein interessantes Angebot für Renditequellen, wenn erwartet wird, dass die großen Aktien-Indizes nach beispiellosem Wachstum inzwischen vor einer Korrektur stehen, nicht zuletzt durch restriktivere Zentralbankpolitiken. Bislang blieb jedoch der große Einbruch aus, und ebenso der Durchbruch aktiver ETFs. Einen Teil der Akzeptanz-Probleme bei aktiven ETFs könnten auch regulatorische Beschränkungen in Europa erklären, da 60 Prozent der in den USA neu gestarteten ETFs bereits aktive Strategien verfolgen.
Das könnte sich zumindest bald ändern: Rein passive ETF-Anleger machen zwar immer noch etwas mehr als 40 Prozent unseres Panels aus, aber diese Zahl ist seit unserer Umfrage 2020 stark zurückgegangen. Eine wachsende Zahl der Befragten beabsichtigt, den Anteil aktiv verwalteter ETFs in ihren Portfolios um mindestens fünf Prozent zu erhöhen (von 25 Prozent im Jahr 2020 auf 37 Prozent im Jahr 2022).
In absoluten Zahlen wird sich der Zuwachs dennoch in Grenzen halten. Auch wenn heute mehr Anleger aktiv verwaltete ETFs halten als noch vor zwei Jahren, machen sie mit weniger als 20 Prozent bei mehr als zwei Dritteln unserer Befragten nach wie vor nur einen geringen Teil ihres Portfolios aus.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass viele Käufer aktiver ETF bereits vorher ETF-Anleger waren (41 Prozent), während 38 Prozent der Investoren in aktiven ETFs von aktiven Investmentfonds umgestiegen sind.
Fast 30 Prozent der befragten Anleger wechselten dagegen von der Direktanlage zu aktiv verwalteten (Multi-Asset)- ETFs und entschieden sich dafür, die Verwaltung an den ETF-Anbieter zu delegieren. Die Gründe: Schnelle Diversifikation, weniger Aufwand und möglicherweise auch niedrigere Kosten.

Nachhaltigen Strategien: Viel zu tun für die ETF-Anbieter
Nachhaltigkeit findet immer mehr Akzeptanz bei vielem, was wir kaufen und benutzen. Individuelle Verbraucher-Entscheidungen sind wichtig dabei. Allerdings ist der Einfluss von Unternehmen auf die globale Erwärmung enorm und wurde bisher viel zu wenig beachtet.
Dies ist ein perfektes Argument für nachhaltige Investitionen. Es ist ein Nudging der Unternehmen in Richtung einer grüneren Zukunft, indem die finanzielle Unterstützung für umweltverschmutzende Unternehmen eingeschränkt wird. Allerdings sahen die befragten Profi-Anleger die Sache etwas anders: Denn nachhaltiges Investment mit ETFs betreibt nur die Hälfte der Befragten, und dieser Anteil ist schon seit drei Jahren konstant. Der Anteil der befragten Anleger, die ihr Portfolio mit einer Allokation von mehr als 60 Prozent ökologisch ausrichten, ist mit nur drei Prozent in unserer Befragung 2022 verschwindend gering.

Wachstum ist bei den Befragten auch keines in Sicht: Der Anteil der professionellen Anleger, die erwarten, dass ihre Allokation in ESG-ETFs um mehr als 20 Prozent wachsen wird, hat sich jedes Jahr verringert. Er ist von 23 Prozent im Jahr 2020 auf nur noch elf Prozent im Jahr 2022 gesunken. Ein möglicher Grund für das nachlassende Interesse der Anleger am nachhaltigen Anlagesegment könnte die mangelnde Transparenz der Anlageprozesse sein. Ebenso könnte die Uneinigkeit über den tatsächlichen Impact eine Rolle spielen.
Die Hälfte der Anleger in unserem Panel kauft ESG-ETFs für ihr Gewissen, also passend zu individuellen Normen oder denjenigen ihrer Organisation. Die Investition in ESG-ETFs ermöglicht es den Anlegern, sich für das Gemeinwohl einzusetzen und ihren persönlichen Überzeugungen zu folgen. Auch Performance-Erwägungen und regulatorische Anforderungen werden von fast 40 Prozent unserer Befragten als wichtige Beweggründe für Investitionen in nachhaltige ETFs genannt. Und dies, obwohl die Performance durchweg schwankt und es bisher keinen Beweis dafür gibt, dass ESG-Anlagen durchgängig besser abschneiden. Allerdings dürften die Vorschriften künftig nur noch strenger werden, da die Zeit knapp wird und die Regulierungsbehörden Unternehmen zu nachhaltigem Handeln zwingen wird. Dies könnte zu Preiseffekten führen.
Die Hälfte der Anleger, die keine ESG-ETFs halten, nennen die fehlende Konsistenz bei ESG-Analysen oder -Strategien als Grund. ESG-ETFs seien schwer vergleichbar. Die Flut der verfügbaren Produkte sei deswegen nicht hilfreich, besonders wenn die Ressourcen zur Produktauswahl begrenzt sind.
Am ehesten interessieren sich die befragten Profi-Anleger für thematische ESG-Strategien. Ein klar definiertes Anlagethema könnte den Anlegern helfen, die übliche Intransparenz grüner Produkte zu überwinden und die Auswirkungen ihrer Investitionen besser zu verstehen.
Im Gegensatz dazu sind Strategien, die ausschließlich mit pauschalen Anschlüssen arbeiten, nach wie vor am wenigsten beliebt.
Trotz fehlender Standards der verwendeten Methoden ist die ESG-Gesamtbewertung nachhaltiger ETFs für professionelle Anleger bei der Auswahl von ESG-ETFs von großer Bedeutung, da 64 Prozent von ihnen dies als äußerst oder sehr wichtiges Kriterium bezeichneten.
Die wichtigsten Kriterien, auf die die befragten Anleger bei der Auswahl nachhaltiger ETFs achten, sind jedoch deren Engagement in Kontroversen mit internationalen Normen wie Korruption, Menschenrechte oder Streubomben sowie in sensiblen Sektoren wie Tabak, Waffen, Glücksspiel oder Pornografie. Dieses Kriterium wird von 62 Prozent unserer Befragten als äußerst oder sehr wichtig eingestuft. Auf der Seite der ESG-ETF-Anbieter gibt es also noch einiges zu tun, denn eine überwältigende Mehrheit unserer Befragten (87 Prozent) ist der Meinung, dass die ETF-Emittenten mehr über ihre Abstimmungs-/Stewardship-Politik kommunizieren sollten. Ein wachsender Anteil der Befragten (56,8 Prozent, zuvor 51,8 Prozent) hält auch synthetische Produkte und Wertpapierleihe für unvereinbar mit der Philosophie des ESG-Investierens unter dem Gesichtspunkt der Verantwortung (Stewardship).

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