Bereits 1995 wurde die Pflegeversicherung als eigenständiger Zweig der Sozialversicherung in Deutschland eingeführt. Damit wurde nicht nur die letzte große Lücke in der sozialen Versorgung geschlossen, sondern der Gesetzgeber wurde auch einem dringenden Bedarf der demographischen Veränderung der alternden Bevölkerung gerecht. Von Hans-Jürgen Dannheisig.
Es besteht seitdem eine umfassende Versicherungspflicht für alle gesetzlich und privat Versicherten. Das bedeutet somit dass jeder, der gesetzlich krankenversichert ist, automatisch in der sozialen Pflegeversicherung versichert ist, und jeder privat Krankenversicherte eine private Pflegeversicherung abschließen muss.
2017 sind im Rahmen des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) die neuen Pflegegrade 1 bis 5 eingeführt worden, welche die bisherigen Pflegestufen 1 bis 3 ersetzen: je höher der Grad, desto mehr Versorgung brauchen die Betroffenen.



Die Datenlage über die zu erwartende Entwicklung von Zahl und Struktur, sowie Wertschöpfung des Pflegemarktes ist umfangreich und auch regional gut differenziert. Nicht nur die Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Gesundheit, sondern auch von verschiedenen unabhängigen Einrichtung wie zum Beispiel der Bertelsmann Stiftung dienen als Quellen.
Die Anzahl der Pflegebedürftigen in Deutschland Kann per Ende 2021 mit mehr als 4,96 Millionen Menschen angegeben werden, von denen sind rund 17 Prozent vollstationär in Pflegeheimen versorgt. Das Statistische Bundesamt prognostiziert die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland bis 2050 auf 6,5 Millionen Menschen: „Ursache hierfür ist vor allem die kontinuierlich zunehmende Zahl älterer Menschen in Folge einer stetig besser werdenden medizinischen Versorgung“.
Der überwiegende Teil der Pflegebedürftigen ist älter als 60 Jahre. Dabei steigt die Pflegequote von knapp 17 Prozent in der Altersgruppe über 75 auf über 81 Prozent bei den über 90-Jährigen.
Deutschlandweit arbeiten mehr als 1,2 Millionen Menschen im Bereich der Altenpflege. Die Bruttowertschöpfung des Sektors belief sich im Jahr 2021 schätzungsweise auf rund 93,3 Milliarden Euro.
Insbesondere durch unternehmerische, private Initiativen wird die notwendige Infrastruktur seit beginn des Jahrtausends intensiv ausgebaut – während die Zahl öffentlicher Einrichtungen weitgehend stagniert. Die Zahl der Pflegeheime in Deutschland stieg seit der Jahrtausendwende um mehr als 75 Prozent auf 16.115 und die Anzahl von ambulanten Pflegediensten im gleichen Zeitraum von rund 10.500 auf 15.300. Eine Vielzahl derartiger Projekte wird und wurde durch private und institutionelle Investoren in offenen und geschlossenen Fondskonzepten finanziert. Diese Investments tragen somit zur Stabilisierung der sozialen Infrastruktur erheblich bei.
Welche Herausforderung steht bevor?
Bis 2050 werden vom BGM bis zu 6,5 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland erwartet. Schreibt man die bisherigen Quoten fort, mit denen hier dann vollstationäre und teilstationäre Pflege notwendig werden dürfte, so sollten bis 2030 3.000 neue Pflegeheime entstehen. Bis 2040 insgesamt 5.000 und bis 2050 sogar 8.500 neue Pflegeeinrichtungen. Wenn wir betrachten, wieviele Einrichtungen in den vergangenen 20 Jahren neu entstanden sind, scheint das Ziel erreichbar.
Die notwendigen Entwicklungen sind jedoch vor dem Hintergrund eines aktuell sehr schwierigen Handlungsrahmens zu sehen. Waren in der langanhaltenden Phase niedrigster Zinsen und relativ stabiler Baupreise die Kalkulationen risikoarm, so haben wir aktuell gleich von beiden wichtigen Kostenfaktoren Turbulenzen zu vermelden. Eine Steigerung des Kalkulationszinses, die nur als rasant zu bezeichnen ist und eine Unberechenbarkeit der Baukosten und Materialien, die ebenfalls hohe Risiken birgt. Damit kein Ende. Personalkosten werden sich in Zukunft eher dynamisch entwickeln und der hohen Inflation folgen.
Welche Rolle spielt Digitalisierung?
Einer der – wenn nicht sogar der wichtigste – Erfolgsfaktoren in der Pflege ist das Personal. Hier besteht ein deutlicher Nachfrageüberhang. Arbeitsbedingungen und Vergütung entsprechen nicht den Erwartungen. Viele andere Branchen haben ebenfalls aktuell hohen Bedarf und stellen intensive Konkurrenz dar.
Alle Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zur Reduzierung der körperlichen und emotionalen Belastung dienen der Stabilisierung des Segmentes und verbessern die Resilienz von stationärer Pflege. Hierzu gehören eine Vielzahl von Möglichkeiten Digitalisierung, Sensorik und AI auch in diesem Sektor zu etablieren.
Impact Investing als Lösungsansatz?
Viele private und institutionelle Investoren haben bereits mit Investments in die Pflegeinfrastruktur begonnen, bevor Impact Investing in aller Munde war. Es handelt sich zunächst um stabile langfristige Investments, deren Purpose nachvollziehbar ist. Die Chancen und Risiken sind in der Regel marktgerecht. So wuchs in den vergangenen Jahren die Zahl der Angebote an Fonds mit „Sozialimmobilien“, „Wohnen im Alter“ oder „Social Impact“. Sie fanden geeignete Abnehmer. Auch die Zahl professioneller Investoren in diesem Segment wurde größer.
Die Geschwindigkeit des Ausbaus der Infrastruktur war bisher jedoch so, dass das Gap zu der notwendigen Ausweitung des Angebotes an Pflegeplätzen eher größer wurde.
Aktuell – in der schwierigen Marktumgebung – gibt es nun Entwicklungen zur Marktbereinigung. Diesen werden einige – oft kleinere – Initiatoren zum Opfer fallen. Es findet Marktkonzentration und Professionalisierung statt.
Diese in Verbindung mit den Effizienzgewinnen aus der Digitalisierung verbessern das Umfeld für Investments der großen Kapitalsammelstellen – wie Versicherungen und Pensionseinrichtungen. Diese haben in diesem Segment darüber hinaus die Möglichkeit ,ihre Nachhaltigkeitsziele messbar in ihrem Portfolio zu verfolgen.
