Eine Kooperation mit dem Zahlungsdienstleister Mastercard, in deren Rahmen bei jeder Kartenzahlung Plastikmüll aus Flüssen geholt und so die Verschmutzung der Ozeane verringert werden soll, hat dem Aachener Impact-Start-up everwave viel mediale Aufmerksamkeit beschert. Das im Jahr 2018 im Anschluss an eine Crowdfunding-Kampagne gegründete Unternehmen entwickelt ein KI-unterstütztes Plattformsystem, um Müll aus Flüssen zu entfernen und als Ressource zurück in den Stoffkreislauf zu bringen. Unser Co-Herausgeber Hans-Jürgen Dannheisig hat Clemens Feigl, CEO und Co-Founder der everwave GmbH, zu diesem innovativen Ansatz befragt.
ENI: Kürzlich hat everwave ihre erste Mission in Kambodscha angekündigt und wird für Investoren immer interessanter. Was möchte everwave erreichen?
Feigl: Unsere Vision ist es, weltweit Flüsse und andere Gewässer vom immer noch zunehmenden Plastikmüll zu befreien – und so auch einen entscheidenden Beitrag zur Säuberung unserer Meere zu leisten. Wir setzen dabei auf technologische Innovation und ökologische Inspiration. Im ersten Schritt sammeln unsere CollectiX-Müllsammelboote und die HiveX-Plattformen den Müll. Ersteres ist bereits europaweit im Einsatz und wird von Drohnen mit Künstlicher Intelligenz ergänzt, die den Müll nicht nur aufspüren, sondern auch analysieren und somit Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und Herkunft des Mülls zulassen. Außerdem lässt sich das gesammelte Plastik so mit lokalen Recyclingpartnern effektiver verwerten. Die Plattform HiveX ist zum Patent angemeldet und wird im Frühjahr 2022 zum ersten Mal eingesetzt. Boote und Plattformen sollen sich einmal ergänzen; während HiveX stationär auf breiten Flüssen liegt, in langen Kanälen die Strömung des Flusses beruhigt und so Plastik auffängt, fährt das CollectiX-Boot an all jene Stellen, an die die Plattform nicht heranreicht.
Aufräumen allein reicht aber nicht. Deshalb sind wir als Teil der ökologischen Inspiration auch in der Umweltbildung aktiv. Seit einigen Jahren sind unsere Teams in Schulen und anderen Einrichtungen unterwegs, um mit unserem Bildungskoffern für einen achtsamen Umgang mit Kunststoffen und der Umwelt im Allgemeinen zu sensibilisieren. Gemeinsam mit Partnern setzen wir diese Bildungsmaterialien auch parallel zu den Cleanup-Aktivitäten ein, um ganzheitlich einen Wandel anzustoßen.
ENI: everwave hat sich seit der Gründung Ende 2018 zu einem international bekannten Start-up entwickelt. Was war dafür entscheidend?
Feigl: Viel Herzblut und der Wille des gesamten Teams jeden Tag dazuzulernen. Wir hatten auch sehr schwierige Phasen, die wir gemeinsam gelöst haben. Gleichzeitig war es entscheidend zu zeigen, dass sich der Kern unserer Arbeit, die Nachhaltigkeit, auch auf unser Geschäftsmodell bezieht. Nur wenn wir auf Dauer profitabel sind, wird everwave bestehen. Gleichzeitig sind unsere Partner wie Grohe, Mastercard und die Landmarken AG teilweise seit Jahren an unserer Seite und machen letztlich unsere Arbeit möglich. Ein Beispiel, das diese Entwicklung gut veranschaulicht: Bei unserem ersten Einsatz in der Slowakei im Sommer 2020 konnten wir vier Tage lang aufräumen und etwa 3.000 Kilogramm Müll aus einem Staudamm holen. Im Oktober und November 2021 waren wir wieder dort. Diesmal blieben wir dank der Unterstützung von Mastercard sieben Wochen und konnten mehr als 72.000 Kilogramm herausholen.
Ein weiterer Grund ist unser Einsatz von Künstlicher Intelligenz – auf dem Gebiet sind wir nahezu einzigartig. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) haben wir unsere Technologie unter anderem mit Drohnen ausgestattet, die uns die oben erwähnten Daten über den gesammelten Müll liefern. Auch das fördert unseren ganzheitlichen Ansatz: Wir räumen nicht nur auf; wir stoßen, auch durch gesammelte Daten einen nachhaltigen Wandel an.
ENI: Kann ein solcher Ansatz – noch dazu im Bereich Nachhaltigkeit – auch rentabel sein?
Feigl: Er muss rentabel sein. Wirtschaft ohne Nachhaltigkeit wird es in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Diesen Paradigmenwechsel leben wir vor und spüren, dass das auch bei immer mehr Unternehmen so gelebt wird. Deshalb haben wir als eines der ersten Unternehmen das Konzept der Plastic Credits eingeführt. Dabei holen wir im Auftrag von Unternehmen Müll aus Gewässern weltweit. Ähnlich dem Prinzip der C02-Kompensation können Unternehmen so ihren Müll – beziehungsweise Plastikfußabdruck kompensieren und einen wichtigen Beitrag leisten, und den eigenen Impact messbar machen. Für jeden Euro holen wir ein Kilogramm Müll heraus und entwickeln lokale Recyclingstrukturen weiter. In diesem Jahr rechnen wir damit, dass es so etwa zwei Millionen Kilogramm werden – wir haben aber noch Bedarf für mehr. Hier kommt die Zahnarztpraxis von nebenan aber auch der weltweit agierende Lebensmittelkonzern in Frage. Müll und Plastik wird in jedem Unternehmen der Welt verbraucht. Die Verantwortung dafür kann durch uns übernommen werden.
ENI: Weshalb geht everwave mit den Plastic Credits ausgerechnet auf jene Unternehmen zu, die für den Plastikmüll teilweise verantwortlich sind?
Feigl: Weil gerade diese Unternehmen verstärkt nach Möglichkeiten suchen, die eigene Verantwortung wahrzunehmen. Mit Blick auf die aktuelle Situation können und wollen wir es uns nicht mehr leisten, Unternehmen aus Idealismus auszuschließen. Die Verschmutzung der Ozeane ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, dass wir nur unter Einbeziehung aller lösen werden. Und die Plastic Credits sind für viele Unternehmen ein erster Schritt schnell, sinnvoll und sichtbar einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.
ENI: Mit Ihrem Ansatz konnten Sie Ende letzten Jahres auch zwei namhafte Investoren gewinnen, richtig?
Feigl: Exakt. Wir freuen uns sehr, dass wir jetzt mit capacura und der NRW.Bank gemeinsam wachsen werden. Beide zeichnen sich durch ein vielfältiges Netzwerk und jede Menge Know-how aus. Im Bereich Impact Investing ist capacura eine der Adressen auf dem deutschen Markt. Das wollen wir für uns nutzen. Noch dazu bieten Ingo Dahm und sein Team eine tolle Möglichkeit für Co-Investments in kleinerem Rahmen, auch in everwave.

Clemens Feigl
Clemens Feigl ist CEO und Co-Founder der everwave GmbH mit Sitz in Aachen. Das 2018 im Anschluss an eine Crowdfunding-Kampagne gegründete Startup entwickelt ein Plattformsystem, um Müll aus Flüssen zu entfernen und als Ressource zurück in den Stoffkreislauf zu bringen.