Die Branche der offenen Immobilienfonds spürt die Auswirkungen der Krise am Immobilienmarkt, blickt aber dennoch vorsichtig optimistisch auf das neue Jahr 2023. Intreal, DWS, Industria und KGAL informierten auf einer Presseveranstaltung über die Lage. EXXECNEWS hat bei weiteren Anbietern nachgefragt.
Bereits im Laufe des Jahres 2022 sind die Mittelzuflüsse in offene Immobilienfonds zurückgegangen und liegen im Zeitraum Januar bis November 2022 bei rund 4,7 Milliarden Euro – rund ein Drittel niedriger als im Vorjahreszeitraum. Aufgrund der Flaute am Transaktionsmarkt sind die Ankaufsprognosen für 2023 mit größerer Unsicherheit behaftet. Im Gegenzug profitieren die Fonds von robusten Mietmärkten, die mit steigenden Mieten einhergehen. Bei Betrachtung der Gesamtheit der Fonds, werden vor allem Objekte der Nutzungsart Einzelhandel verkauft und im Gegenzug das Wohn-Exposure weiter ausgebaut. Auch der Logistik-Anteil wächst. In Sachen ESG (Environment (Umwelt), Social (Soziales), Governance (Unternehmensführung)) steht die Umsetzung der neuen Regulierungsschritte aus dem vergangenen Jahr im Fokus. Seit August 2022 müssen auch die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (PAIs) berücksichtigt werden. Die meisten offenen Immobilien-Publikumsfonds sind aktuell nach Artikel-8-Plus der Offenlegungsverordnung klassifiziert. Impact-Fonds beziehungsweise Artikel-9-Fonds für Privatanleger werden auch 2023 nicht erwartet. Dies sind die Kernergebnisse der Online-Pressekonferenz „Ausblick 2023: Welche Pläne haben Manager offener Immobilienfonds?“, an der Michael Schneider, Geschäftsführer der Service-Kapitalverwaltungsgesellschaft Intreal, Ulrich Steinmetz, Geschäftsführer der Fondsgesellschaft DWS Grundbesitz, Arnaud Ahlborn, Geschäftsführer des Asset Managers Industria, und Michael Kohl, Head of Open Investment Funds beim Asset Manager KGAL, teilnahmen.
Schneider: „Das Nettofondsvermögen der Immobilienfonds ist laut Bundesbank zwischen Januar und November 2022 um 5,2 Prozent gewachsen, während es bei Aktienfonds um 10,5 Prozent und bei Rentenfonds um 17,5 Prozent zurückgegangen ist.“ Mit Blick auf 2023 sagt Schneider: „Wir erwarten eher geringere Mittelzuflüsse als 2022. Auch bei den Renditeerwartungen sind wir zurückhaltend. Die Wertänderungsrenditen werden nicht mehr den gleichen Beitrag zur Gesamtrendite leisten können wie in den letzten Jahren. Die Mieten steigen zwar deutlich, es ist aber fraglich, ob dies den ersten Effekt kompensieren kann.“
Steinmetz hebt die Unterstützung durch den Mietmarkt hervor: „Diese federt die Folgen des angespannten wirtschaftlichen und geopolitischen Umfeldes ab. Wir erwarten steigende Mieten über alle Nutzungsarten hinweg. Am stärksten in den Segmenten Wohnen und Logistik. Die DWS-Fonds steigern ihren Wohnanteil schon seit Jahren und reduzieren ihren Büroanteil auch zugunsten einer noch breiteren Diversifizierung. […] Diese Entwicklung soll sich fortsetzen.“
Ahlborn erläutert die Pläne und Aussichten für den „Fokus Wohnen Deutschland“, einen Fonds mit Fokus auf deutsche Wohnimmobilien. „Wir gehen davon aus, dass wir 2023 Immobilien zwischen 50 und 150 Millionen Euro ankaufen werden. Die aktuelle Unsicherheit erschwert Prognosen. Wir haben zudem für den Fonds 2022 viele Objekte angekauft. Insofern ist der Ankaufsdruck aktuell nicht sehr hoch. Wir werden 2023 planmäßig zunächst tendenziell gefördertes Wohnen ankaufen, da dies nach dem Zinsanstieg attraktiver geworden ist.“ Was den Vertrieb betrifft, ist der Industria-Chef optimistisch: „Wir sind gut ins Jahr 2023 gestartet. Seit dem Jahreswechsel verzeichnen wir ansteigende Zuflüsse und zugleich sinkende Rückgabewünsche.“
Kohl stellt die Pläne für den „KGAL ImmoSubstanz“ vor, einen Fonds mit Fokus auf Büro und Nahversorgung. „Der Fonds wurde 2019 aufgelegt und ist noch in der Aufbauphase. Wir beobachten 2023 unsere Zielmärkte Deutschland, Österreich, Frankreich, UK in den wichtigen Nutzungsarten Büro und Einzelhandel. Durch vorhandene Liquidität sind wir handlungsfähig. Unser Ziel ist es 2023 weitere 50 Millionen Euro netto einzuwerben.“ Die KGAL beobachtet aber auch Segmente außerhalb des Immobilienmarktes: „Wir bereiten derzeit einen offenen Infrastrukturfonds für Privatanleger vor, der in Photovoltaik- und Windkraftanlagen investieren wird. Wir sehen hierfür großes Nachfragepotenzial.“
Intreal rechnet indes nicht mit einem Impact-Produkt für Privatanleger im Jahr 2023. Artikel-9-Fonds seien aufgrund der vielen noch offenen Fragen und der Haftungsrisiken bei Publikumsfonds derzeit kaum realisierbar. „Wir führen aber Gespräche über mehrere Fondsneuauflagen von Artikel-8-Plus-Fonds. Wann die Fonds konkret an den Markt kommen, ist aufgrund der großen Unsicherheit noch nicht festgelegt. Bessert sich die Marktlage, kann dies auch sehr schnell passieren“, so Schneider.
Auch Steinmetz betont die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit: „ESG steht bei den Publikumsfonds anhaltend im Fokus und wird auch 2023 prägend sein. […] Unser Ziel für 2023 und darüber hinaus ist es, nachteilige Auswirkungen zu reduzieren und ökologische Merkmale zu fördern.“
Ergänzend hat EXXECNEWS weitere Anbieter offener Immobilien-Publikumsfonds zu ihren Erwartungen zu an die Entwicklung des Immobilienportfolios und die Entwicklung der Anlegernachfrage befragt.
- Entwicklung des Immobilienportfolios
Tobias Raatz, Senior Associate Portfolio Management Habona Invest Asset Management:
Das Bestandsportfolio des „Habona Nahversorgungsfonds Deutschland“ besteht zum Stichtag 31.01.2023 aus 14 Objekten mit einem Verkehrswertvolumen in Höhe von rund 138,8 Millionen Euro. Dazu zählen fünf Nahversorgungszentren, sechs Vollsortimenter, zwei Discounter und eine Kindertagesstätte. Durch den geplanten Besitzübergang einer weiteren Kindertagestätte noch in diesem Monat wird sich der KiTa-Anteil im Fonds deutlich erhöhen. Ebenfalls kaufvertraglich gesichert hat sich der Fonds ein Nahversorgungszentrum in Baden-Württemberg in Form einer Projektentwicklung mit schlüsselfertiger Übernahme Ende 2023. Mit dem Erwerb wird die Mieterdiversifikation durch die Aufnahme eines weiteren Discounters sowie eines Biomarktes weiter erhöht. Beide geplanten Neuerwerbe (KiTa und NZV) erfüllen durch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach und einer Wärmepumpe die Nachhaltigkeitsstrategie des nach Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung eingestuften offenen Immobilienfonds. Der Renditebeitrag aus dem Immobilienportfolio wird nach unserer Einschätzung stabil bleiben. Weitere Ankäufe befinden sich in permanenter Prüfung.
Sascha Schadly, Geschäftsführer der KanAm Grund Group sowie Fondsmanager des „Leading Cities Invest“:
In einem insgesamt herausfordernden Jahr konnte der „Leading Cities Invest“ im Geschäftsjahr 2022 eine positive Wertentwicklung von 2,2 Prozent p.a. erzielen. Um von den zuletzt gestiegenen Marktmieten bei Neu- und Nachvermietungen profitieren zu können, erfolgten verschiedene Investitionen in den Objektbestand. Dabei wurde auch die Energieeffizienz einzelner Immobilien optimiert. Die Kosten hierfür haben das Jahresergebnis nur temporär „beeinflusst“, schaffen jedoch gleichzeitig die Möglichkeit für attraktivere Mietflächen. Da die Rahmenbedingungen sich im Vergleich zum Vorjahr nicht gravierend geändert haben, gehen wir davon aus, dass sich der „Leading Cities Invest“2023 ähnlich entwickeln wird.
Das Immobilienportfolio des Fonds ist breit diversifiziert, die Vermietungsquote beträgt etwa 95 Prozent. Zudem sorgt der hohe Anteil von knapp 40 Prozent an staatlichen Mietern sowie anderen langjährigen Mietern für stabile Mieteinkünfte. In punkto Nachhaltigkeit streben wir weitere Optimierungen an. Mit einer derzeitigen Zertifizierungsquote von etwa 80 Prozent der im Fonds enthaltenen Objekte sind wir auf einem sehr guten Weg.
Michael Denk, Geschäftsführer und Gesellschafter bei Quadoro Investment GmbH:
Der historisch schnelle Zinsanstieg um 400 Basispunkte, eine Inflation von mehr als zehn Prozent, die Energiekrise und auch der Ukraine-Krieg hinterlassen an den Märkten ihre Spuren. Dazu kommen immer neue ESG-Regularien, zu denen sich eine klare Verwaltungspraxis erst etablieren muss. Kaufpreisfaktoren jenseits des 25-fachen des Jahresrohertrages werden im derzeitigen Zinsumfeld unrealistisch. Viele Verkäufer verhalten sich daher abwartend. Das Preisniveau dürfte sich deutlich darunter einpendeln. […] Quadoro setzt konsequent auf eine niedrigere Leverage-Quote als gesetzlich erlaubt und hat auch in der Vergangenheit nicht nur auf kurze Zinsbindungsfristen gesetzt. Daneben wird laufend die Finanzierungssensitivität bezogen auf die Ausschüttungsfähigkeit kontrolliert. Die Indexierung der Mieterträge und Vermietungssicherheit spielen dabei eine große Rolle.
Klaus Speitmann, Leiter Vertrieb Publikumsfonds bei Swiss Life Asset Managers in Deutschland:
Aktuell profitiert das Immobilienportfolio des „Swiss Life Living + Working“ grundsätzlich von einer hohen Quote an indexierten Mietverträgen und einer nicht mehr negativen Verzinsung der Liquiditätsanlagen. Die Verkehrswerte der Objekte blieben durch die steigenden Mieten daher weitgehend stabil, obwohl es auch hier – wie beim Immobilienmarkt allgemein – zu einem Rückgang der Einkaufsfaktoren kam. 2023 wird es eventuell noch keinen Turnaround am Investmentmarkt geben, dafür aber vermutlich mehr Klarheit zu Inflation, Geldpolitik und Zinsentwicklung. Die Chancen, dass 2024 wieder die Inflationsziele der EZB erreicht werden, stehen gut. Spätestens dann können unsere Fonds – die ohnehin als langfristige Anlage gedacht sind – nicht nur Inflationsschutz und Mietrenditen bieten, sondern auch weiterhin stabile Wertzuwächse erwirtschaften.
- Entwicklung der Anlegernachfrage
Raatz: Nach Nettomittelzuflüssen im Kalenderjahr 2022 von rund 22,8 Millionen Euro gehen wir für dieses Jahr nur von einem leichten Zuwachs aus, der sich in der Bandbreite der Mitbewerber der offenen Immobilienfonds befinden wird. Der „Habona Nahversorgungsfonds Deutschland“ wird zu 86,5 Prozent durch Sparkassen und Genossenschaftsbanken vertrieben und kann auf einen sehr hohen Anteil im Endkundengeschäft verweisen. Die Kündigungsquote des Fonds ist weiterhin verschwindend gering. Aus unserer Sicht ist die Assetklasse Nahversorgung auch in diesem turbulenten Marktumfeld unverändert attraktiv: Die Mieten sind auf Grund der sehr guten Bonität der Mieter sicher, die Mietvertragslaufzeiten der Nutzungsart entsprechend lang und die Vermietungsquote hoch – alles Argumente für Anleger gerade jetzt von dieser Stabilität zu profitieren.
Schadly: Der „Leading Cities Invest“wächst derzeit kontinuierlich weiter. Mit der Zinswende sind die angekündigten Mittelrückgaben zwar leicht angestiegen, diese liegen jedoch in der Norm. Mit weiterhin positiven Mittelzuflüssen sind wir bestrebt, die sich uns in 2023 bietenden Chancen auf den internationalen Immobilienmärkten zu nutzen und das Immobilienportfolio des Fonds zu erweitern. Unser Fokus liegt dabei auf den Nutzungsarten Büro und Logistik.
Denk: Die Zeit der Negativzinsen ist vorbei, dennoch ist der Realzins deutlich niedriger als vor einem Jahr – ein Umfeld, in dem Sachwerte mehr denn je ihre Berechtigung haben. Die Nachrichten zu den Immobilienmärkten zeigen ein differenziertes Bild und verunsichern viele Investoren. Ob offene Immobilienfonds in stürmischen Zeiten als solides Immobilien Investment zu betrachten sind, hängt von unterschiedlichen Merkmalen ab. Die Regulierung im Zuge des Green Deals der EU führt zu einer immer größeren Aufmerksamkeit hinsichtlich des energetischen Zustandes und dem CO2-Ausstoß von Immobilien. Die Gefahr von Stranded Assets ist dabei enorm groß und betrifft einen Großteil des gesamten Immobilienbestandes in Europa. Quadoro ist die erste Fondsgesellschaft, die sich zum Monitoring mittels CRREM gegenüber ihren Anlegern verpflichtet hat. Das aktuelle CO2-Budget wird dabei deutlich unterschritten. Damit sieht sich Quadoro im derzeitigen Umfeld bestens positioniert.
Speitmann: Während 2022 für viele Anlageklassen ein herausforderndes Jahr war, waren die offenen Immobilienfonds wieder mal ein Stabilitätsanker im Depot. Ein ausgewogenes Portfolio sollte daher auch in 2023 diversifiziert ausgerichtet bleiben, das heißt neben Aktien, Renten und Rohstoffen gehören auch Immobilienfonds weiterhin zu einer guten Allokation. Absatzhemmend wirken sich natürlich die aktuellen Unsicherheiten aus, so dass Kunden vermehrt erst einmal in der kurzfristigen Liquidität bleiben. Ungeachtet dessen bleibt die indirekte Immobilienanlage über offene Immobilienfonds ein unverzichtbarer Baustein im diversifizierten Anlageportfolio von Privatkunden. Im Ergebnis führt dies aktuell weiterhin zu Netto-Zuflüssen in unseren Fonds, wenn auch auf einem deutlich niedrigeren Niveau als noch vor den letzten Krisenjahren. In dem Maße, wie die externen Unsicherheiten geringer werden, wird es dann auf Sicht auch wieder zu einer Belebung der Anlegernachfrage kommen.