Wer den Begriff „Künstliche Intelligenz“ (KI) liest oder hört, denkt vorrangig an den Umgang mit einer Flut an Daten und die Frage, wie damit umzugehen ist. Richtig: Schnelligkeit und Effizienz in der Datenanalyse sind ein signifikanter Teil von KI, aber nicht nur. KI bedeutet, auch Algorithmen zu entwickeln, die sich durch neue Informationen ständig selbst verbessern und so lernen, immer komplexere Daten zu entschlüsseln und daraus selbstständig immer neue Problemlösungen anzubieten. KI ist somit maschinelles Lernen aus maschineller Erfahrung und daher weit mehr als das Sammeln, Verwalten und Clustern von Daten.
Ein Beitrag von Daniel Andemeskel, Head of Innovation Management, CEO und Co-Founder UI Enlyte, und Robert Bluhm, Sustainability
Officer/Head of ESG-Office, Head of Product Management Alternative Investments & Structuring.
KI und ESG-konformes Investieren
Besonders Investoren, die ESG-konforme Investments tätigen möchten, sind mit einer Flut von oft unstrukturierten Daten konfrontiert. Oftmals müssen diese manuell auf sich daraus ergebende potenzielle Risiken und Chancen geprüft werden. Anlageentscheider wie Asset Manager, Fondsinitiatoren oder institutionelle Investoren stützen ihre Entscheidungen deshalb häufig auf ESG-Ratings, die von den etablierten Rating-Datenanbietern angeboten werden. Diese Ratings sind allerdings meist nur für große, börsennotierte Unternehmen verfügbar. Die Bewertung von Nachhaltigkeitsindikatoren, etwa im Rahmen eines Micro-Finance-Projekts, sind deshalb nur schwer möglich, da strukturierte Daten zu Kleinst- oder Einzelunternehmern über etablierte Datenprovider meist nicht verfügbar sind. Andere Optionen, wie die direkte Erhebung von Informationen vor Ort, sind entweder logistisch nicht umzusetzen oder wirtschaftlich nicht darstellbar.
Eine weitere Herausforderung: Viele ESG-Indikatoren werden nur monatlich, vierteljährlich oder gar jährlich aktualisiert. Während Investoren Börsenkurse schon seit langem in Echtzeit verfolgen können, werden Nachhaltigkeitsaspekte und -risiken meist mit Verzögerung bewertet. Anlageentscheidungen müssen nicht selten auf Basis veralteter Daten getroffen werden. ESG-Rating-Anbieter sind dabei ebenso wie die Investoren selbst zu einem großen Teil auf die von den bewerteten Unternehmen selbst veröffentlichten Informationen angewiesen. Auch wenn einige Rating-Agenturen vor diesem Hintergrund zunehmend selbst Analysen erstellen, ist die nötige Auswertung von qualitativen Daten manuell nicht beherrschbar. Ziel ist es aber, Investoren einen aktuellen Überblick über ESG-konforme Investments zu geben, und das nahezu in Echtzeit.
Unternehmen, Medienpräsenz und ESG – Natural Language Processing
Der Schlüssel ist, Algorithmen zu entwickeln, die aus weltweiten Datensätzen lernen, ob eine bestimmte Buchstaben- oder Wortkombination im Zusammenhang mit einem bestimmten Kontext typischerweise relevant ist. Wir kennen das schon von Übersetzungsprogrammen. Man gibt einen Satz ein, das Programm erkennt die Sprache und macht auf Basis von Millionen anderer Datensätze Übersetzungsvorschläge.
Diese Art der Textanalyse nennt sich Natural Language Processing oder kurz NLP – ein Programm, das Universal Investment aktuell mit Partnern für die Herausforderungen im Finanzsektor adaptiert, für ESG-relevante Informationen weiterentwickelt und bereits mit Pilotunternehmen testet. Dazu werden täglich über 500.000 Artikel aus mehr als 100.000 Online-Quellen, wie zum Beispiel Zeitungen und Online-Magazine, Nachrichtenagenturen, Gesetzesinitiativen und -verkündungen, auf ESG-getriebene Inhalte gefiltert und in verschiedene Themenfelder eingeordnet. Redaktionelle Inhalte, die Unternehmen zugeordnet werden können, werden aus der Flut der Informationen gebündelt, mittels eines Scores gewichtet und eine Wirkungsdauer definiert. Das heißt, die Höhe des Scores und damit die Relevanz des Inhaltes bestimmt, wie lange das Ereignis im Gesamtscore verbleibt.
Für jedes Ereignis wird eine Wirkungsdauer definiert. Auf Basis aller gewichteten Ereignisse berechnet das Programm einen informationsbasierten ESG-Gesamt-Score und bereitet ihn anhand der drei ESG-Kategorien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung auf. Auch für jedes weitere definierte ESG-Segment berechnet das Programm einen spezifischen Score. So kann der Informationsbedarf beliebig zwischen Gesamtübersicht und Detailanalyse skaliert werden. Chancen und Risiken können so gut abgewogen werden.
Der ESG-Score ermöglicht damit nahezu einen Echtzeit-Indikator für die Medienpräsenz eines Unternehmens in Bezug auf ESG-relevante Ereignisse und liefert somit zusätzlich Informationen, die sich auch auf ein ESG-Rating auswirken können.
Nicht nur im Bereich ESG leistet KI einen positiven Impact, sondern auch bei der Asset-Klasse Alternative Investment, beispielsweise im Private-Equity-Sektor. Die Generierung von Signalen im Risiko- und Portfolio Management ist ein weiteres Projekt, an dem Universal Investment bereits mit führenden FinTechs arbeitet. Künstliche Intelligenz kann darüber hinaus Prozesse von der Dokumentenerfassung und -kennzeichnung über die Datenextraktion bis hin zu Reporting und Analyse intelligent automatisieren und digitalisieren. Die hierauf basierenden Auswertungen ermöglichen eine neue Datenqualität und -tiefe und geben Investoren detaillierte Informationen, die für die Faktoren der Performance entscheidend sein können.
Tempo braucht Timing, Ressourcen und das richtige Team
Das Bedürfnis nach Echtzeit-Informationen zu ESG und anderen Themen ist groß, und der Wettlauf in der Produktentwicklung ist in vollem Gang. Universal Investment hat 2019 mit der Gründung einer eigenen Innovation-Management-Einheit diese Entwicklung antizipiert und rollt seit dem vierten Quartal 2020 KI-basierte Produkte und Lösungen für Asset Manager, Fondsinitiatoren und institutionelle Investoren aus – mit einem Team, das viele Ideen und Initiativen parallel auf den Weg bringt und dabei ganz verschiedene Bereiche abdeckt, von künstlicher Intelligenz über Blockchain bis zu Big-Data-Lösungen.


Seit 2019 ist er Head of Innovation Management bei der Universal-Investment Group. Zuvor arbeitete er bei Axa Investment Management in Frankreich, wo er verschiedene Positionen innehatte. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Investmentmanagement und ist ein Vordenker in Sachen Innovation und disruptive Technologien.
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Sehr informativer und gut geschriebener Artikel! Ich fand es besonders interessant zu erfahren, wie künstliche Intelligenz den Investmentprozess beeinflusst und optimiert. Es ist beeindruckend zu sehen, wie diese Technologie effizientere Entscheidungen ermöglicht und langfristige Erfolge erzielt. Vielen Dank für die detaillierten Einblicke und die klaren Erläuterungen. Arianna Sutton