Wenn wir davon ausgehen, dass Impact Investing bald das „neue Normal“ ist, dann werden wir in den traditionellen, liquiden Assetklassen schnell eine große Bewegung erheblicher Vermögensmassen sehen, die sich diesem Anspruch stellen. Große positive Wirkungen werden jedoch vor allem in den Alternative Assets erzeugt. Real Estate, Private Equity und Private Debt ermöglichen eine schnelle Transformation des Vermögens hin zu mehr Zielerreichung der SDGs. Die am deutlichsten mit einem unternehmerischen Anspruch ausgestattete Assetklasse ist indes Venture Capital. Es wird nicht nur Kapital für junge Unternehmen eingesetzt, sondern Investoren und ihre Asset Manager fördern die Entwicklung dieser Unternehmen über den ganzen Investmentprozess. Schon bei der Due Diligence werden die Gründer auf Herz und Nieren geprüft, und die Geschäftsidee wird ebenso herausgefordert wie die Sinnhaftigkeit des angestrebten Impacts. Einen besonderen Ansatz mit viel Engagement schildert uns Dr. Christin ter Braak-Forstinger. Sie hat, nach traditioneller Karriere im Banking, mit ihrem Team den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt und stellt sich der anspruchsvollen Aufgabe, ein Portfolio zusammenzustellen, das das Prädikat „Deep Impact“ verdient.
ENI: Was macht Ihr bei Chi Impact Capital?
ter Braak-Forstinger: Wir sind tief motiviert, den Wandel in Richtung einer regenerativen Wirtschaft pro-aktiv voranzutreiben. In der Praxis und in unserer täglichen Arbeit setzen wir das durch echte Impact Investments um – wir sprechen dabei auch von „deep impact investing“. Wir sind ein unabhängiger, frauengeführter Impact-Anlageberater mit Sitz in Zürich. Wir denken und agieren langfristig und vor allem als bewusster Investor. Chi steht für „conscious“, „holstic“ und „impactful“ investing. Wenn bei uns Impact draufsteht, ist auch Impact drin. Wir sind in keiner Rolle, sondern für uns ist es normal, dass wir ganzheitlich denken und arbeiten. Wir haben dazu auch ein Buch zum Thema „Conscious Investing“ geschrieben. Wir denken systemisch und ebenso zielen unsere Investments darauf ab, systemischen Wandel einzuleiten.
Als bewusster Investor wollen wir uns von dem aktuell im Markt stattfindenden Impact Washing abgrenzen. Wir haben dazu eine Reihe von Beiträgen veröffentlicht und dazu aufgerufen, dass es mehr Transparenz und Integrität und vor allem erhöhte Selbstverpflichtungsstandards für Impact-Fondsmanager oder Impact-Anlageberater geben sollte. Das Thema Impact Washing haben wir auch in einem White Paper aufgegriffen, das wir letztes Jahr für die Bertelsmann Stiftung geschrieben haben. Damit der noch junge Impact-Investing-Sektor skalieren und weiter wachsen kann, müssen Investoren mehr Sicherheit bekommen, was sie von einem Impact Investment wirklich erwarten können. Die EU-Taxonomie und die neuen EU-Offenlegungsverpflichtungen gehen dabei in die richtige Richtung, sind aber nur ein erster Schritt. Ein Impact-Fondsmanager muss nicht nur die konkrete Absicht zur Impact-Erzielung im Rechtsprospekt und in der Fondsdokumentation festhalten, sondern muss auch den erzielten Impact für jedes Investment messen und den Investoren gegenüber ausweisen. Transparenz bei Impact, Risiko und den finanziellen Erträgen ist heute eine Grundvoraussetzung eines bewussten Investors.
Darüber hinaus sollten Impact-Intermediäre freiwillig weitere Verpflichtungen gegenüber ihren Investoren eingehen: zum Beispiel, dass die definierten Impact-Ziele tatsächlich mit der Investment-Strategie des Fonds übereinstimmen, dass man die definierten Impact-Ziele auch einer Ex-ante-Einschätzung unterzieht und die Signifikanz des beabsichtigten Impacts überprüft oder hinterfragt, wer eigentlich der/die Begünstigte des beabsichtigten Impacts ist. Oftmals vergisst man in der Praxis auch über potenzielle negative Side-Effects des beabsichtigten Impact Investments nachzudenken oder diese zu hinterfragen. Wichtig erscheint mir auch zu erwähnen, dass Impact-Messung nicht einfach nur um des Messens willens durchgeführt werden soll. Das Global Impact Investing Network (GIIN) hat bereits 2016 vom „business value of impact measurement“ gesprochen und gezeigt, dass es eine positive Korrelation zwischen Impact-Messung und positiver Wertsteigerung von Unternehmen gibt.
Impact-Fondsmanager können ihren Investoren zusätzlich weitere positive Signale senden, zum Beispiel indem sie ihren Fund-Carry an die Erreichung der positiven Impact-Ziele binden. Wir bei Chi Impact Capital erlegen uns freiwillig solche erhöhten Standards auf und wollen damit als positives Beispiel im Sektor vorangehen. Wir haben auch ein integriertes Bewertungsmodell entwickelt (DCF/Impact Elemente), weil wir davon überzeugt sind, dass Unternehmen mit integriertem Impact langfristig auch finanziell besser performen. Wir planen, dieses Modell als „open-source“ mit dem Sektor zu teilen.
ENI: Warum gibt es einen Bedarf für Investments, die Ihr in den Fokus stellt, und welche Rolle spielen die SDGs dabei?
ter Braak-Forstinger: Spätestens seit der Lancierung der 17 globalen Nachhaltigkeitsziele (der SDGs) wissen wir, dass sich unternehmerische Pioniere in der Erreichung der SDGs einen Wettbewerbsvorteil sichern können. Gemäß der Business Sustainable Development Commission ist davon auszugehen, dass das meiste Geld in die folgenden vier Wirtschaftsbereiche fließen wird: Nahrungsmittel und nachhaltige Landwirtschaft, Smart Cities, Energie und Ressourcen sowie Gesundheit und Wohlergehen. Das eröffnet natürlich ein riesiges Potenzial an Marktchancen.
Zusätzlich haben uns die vergangenen zwölf Monate gezeigt, wie dramatisch die globalen Lieferketten durch die Pandemie unterbrochen wurden und dass die Zukunft nach einer stärkeren Lokalisierung und nach transparenten und nachhaltigen Lieferketten ruft. Die kürzliche Blockade am Suez-Kanal war ein weiterer Augenöffner.
Als unabhängiger Anlageberater beraten wir den „Burning Issues Impact Fund“ („BIIF“). Der BIIF investiert direkt in innovative, skalierbare und typischerweise technologie-getriebene Unternehmen in Europa, die durch ihre transformativen Geschäftsmodelle mithelfen, die dringlichsten („most burning“) SDGs vor unserer Haustür zu lösen. Der BIIF wurde im August 2020 lanciert und hat inzwischen ein First Closing gemacht und bereitet gerade das dritte Investment vor.
Unsere Analyse der dringlichsten SDGs in Europa basiert auf einer Studie der Bertelsmann Stiftung („SDG Index & Dashboards Report“’) und zeigt, dass Climate Action, Responsible Consumption, Zero Hunger, Good Health und Smart Infrastructure zu den „dringlichsten“ SDGs in Europa gehören und einen unmittelbaren Handlungsbedarf haben. Die Unternehmen, in die der BIIF investiert, lösen Probleme an der Wurzel und zielen darauf ab, die Sektoren, in denen sie tätig sind, langfristig zu echter Nachhaltigkeit zu verändern. Wir können davon ausgehen, dass die aktuelle Pandemie länger dauern wird. Dies bestärkt uns, in kern-regenerative Unternehmen und krisenresistente Geschäftsmodelle zu investieren.
ENI: Welchen Impact erzeugen die von Euch ausgewählten Projekte?
ter Braak-Forstinger: Als überzeugter Impact Investor wollen wir unseren Investoren garantieren, dass wir mit den Investments des BIIF echten Impact erzielen. Wir unterstützen unsere Portfolio-Unternehmen im Rahmen der Impact Value Creation nicht nur bei der Definierung der Impact-Ziele, bei der Impact-Messung und beim Impact-Reporting, sondern auch dabei als Unternehmen noch bewusster und nachhaltiger zu werden, beispielsweise Lieferketten transparenter und lokaler zu machen, Teams oder Boards inklusiver zu machen, Anreizsysteme für nachhaltiges Verhalten und Entlohnung einzuführen, etc. Wir haben dazu nicht nur eine umfassende Impact-Methodologie aufgestellt, sondern wenden auch eine „Gender-Lens“ sowie eine „Multi-Species-Lens“ im Due Diligence Prozess sowie in der weiteren Zusammenarbeit mit den Zielunternehmen an.
Ich hatte bereits erwähnt, dass wir unseren Fund Carry vollständig an die Generierung der positiven Impact-Ziele binden. Wir wollen unseren Investoren damit signalisieren, dass wir auch wirklich an das positive Impact-Potenzial unserer Zielunternehmen glauben. Damit eine unabhängige Validierung der gesammelten Impact-Daten erfolgen kann, haben wir als zusätzlichen Governance Body im Fonds ein unabhängiges „Impact Validation Committee“ installiert.
ENI: Welche kommerziellen Erwartungen können Investoren haben?
ter Braak-Forstinger: Der BIIF ermöglicht seinen Impact-Investoren einen echten, messbaren und langfristigen positiven Impact zu kreieren und gleichzeitig auch attraktive finanzielle Renditen zu generieren. Uns ist wichtig zu zeigen, dass systemischer Wandel in Richtung einer radikalen Neuausrichtung unserer Wirtschaft nicht nur zu einem dringend notwendigen positiven, ökologischen und sozialen Wandel führt, sondern auch finanziell die richtige Wahl ist.
Das Gespräch führte Hans-Jürgen Dannheisig, Co-Herausgeber.

Dr. ter Braak-Forstinger
Dr. Christin ter Braak-Forstinger ist Mitgründerin und CEO der Chi Impact Capital GmbH (Zürich), einem unabhängigen Impact-Anlageberater. Sie hat langjährige Erfahrung in der Finanzwirtschaft, im Private Equity, im Impact Investing und im Bereich des nachhaltigen Investierens. Chi Impact Capital berät unter anderem den Luxemburger Specialfonds „Nixdorf Kapital Impact Fund S.C.S., SICAV-RAIF – Burning Issues Impact Fund“.