Steigende Zinsen, ungewohnt hohe Inflation, der Krieg in der Ukraine, weltweite geopolitische Spannungen − eine gruselige Mixtur, die zu Planungsunsicherheiten führt und den deutschen Gewerbe-Immobilienmarkt kräftig durcheinanderwirbelt. Das erste Quartal dieses Jahres sorgte haufenweis für schlechte Nachrichten. Für den Rest des Jahres zeigen sich Immobilienexperten dennoch optimistisch.
Die Ursache für die aktuelle Baisse am deutschen Gewerbe-Immobilienmarkt sieht Marcel Wolter, Director Investment bei Savills in München, darin, dass derzeit Angebot und Nachfrage nicht zueinander finden: „Im aktuellen Marktumfeld verkaufen Eigentümer nur unter besonderen Voraussetzungen. Verkaufswillig sind nur solche Bestandshalter, die ihre Objekte bereits langfristig im Portfolio haben oder aufgrund zu erwartender baulicher Themen bereit sind, die niedrigeren Gebote der potenziellen Käufer zu akzeptieren.“ Dies wirkt sich deutlich sowohl auf den Investment- wie auf den Vermietungsmarkt aus.
So entwickelte sich der Gewerbe-Immobilienmarkt bundesweit:
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Köln, hat ermittelt, dass die Büromieten bundesweit im Vergleich zum Vorjahr um 5,9 Prozent gestiegen sind. Da die aktuelle Inflationsrate aber höher ist, bedeutet das, dass die Büromieten erstmals seit Jahren real sogar gesunken sind.
Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum ging der Büroflächenumsatz in den deutschen Top-7-Standorten laut dem Gewerbeimmobiliennetzwerk German Property Partners (GPP) im ersten Quartal 2023 um 28 Prozent zurück. Andreas Rehberg, Sprecher von GPP, erklärt dazu: „Während in den vergangenen Jahren viele Großunternehmen ihre Umzugspläne umgesetzt haben, dominieren nun vor allem Mittelständler die Nachfrage.“
Einzig Berlin entzog sich im ersten Quartal mit einem Plus von vier Prozent dem rechnerischen Abwärtstrend beim Flächenumsatz, so GPP. Was den Flächenumsatz angeht, differieren die Zahlen: Während BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) einen Berliner Flächenumsatz von 144.000 Quadratmetern berichtet, benennt ihn der international tätige Immobilienberater Savills dagegen mit 135.000 Quadratmetern und GPP mit 125.000 Quadratmetern. Auch bei den Standorten Hamburg und München differieren die von den Immobilien-Unternehmen berichteten Flächenumsätze – in Hamburg um die 100.000 Quadratmeter und in München um die 120.000 Quadratmeter. Jeweils ein Rückgang zwischen 22 und 44 Prozent.
Der deutsche Investmentmarkt für Gewerbe-Immobilien erreichte im ersten Quartal 2023 nach der international tätigen Immobilienberatung Cushman & Wakefield (C&W) ein Transaktionsvolumen von 5,1 Milliarden Euro. Das sind 72 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Davon entfiel mit 31 Prozent beziehungsweise 1,6 Milliarden Euro der höchste Anteil auf Handelsimmobilien – was aber ein Minus von 30 Prozent im Vergleich mit dem ersten Quartal 2022 darstelle. Büroimmobilien stürzten gegenüber dem ersten Quartal 2022 um fast 90 Prozent auf 1,05 Milliarden Euro ab.
So entwickelte sich der Gewerbe-Immobilienmarkt Berlin:
Nach BNPPRE liege die Leerstandsquote unverändert bei niedrigen 3,2 Prozent im Marktgebiet und bei 1,8 Prozent im Central Business District (CBD). Die Spitzenmiete liege mit 45 Euro pro Quadratmeter knapp fünf Prozent höher als vor einem Jahr. Die Durchschnittsmieten stiegen leicht um 3,2 Prozent auf 28,10 Euro pro Quadratmeter im Vergleich zum Vorquartal an, so Savills. „Auch wenn eine gewisse Unsicherheit bezüglich des zu erwartenden konjunkturellen Aufschwungs noch nachwirkt, häufen sich die positiven Signale, dass die Wirtschaft im zweiten Halbjahr spürbar wachsen dürfte. Viel spricht für eine auch im weiteren Jahresverlauf relativ stabile Nachfrage“, so Jan Dohrwardt, Geschäftsführer und Berliner Niederlassungsleiter bei BNPPRE.
Der Berliner Gewerbe-Investmentmarkt schloss das erste Quartal mit einem Transaktionsvolumen von 1,1 Milliarden Euro ab (ein Minus von 59 Prozent gegenüber Vorjahreszeitraum). Besonders stark vom Umsatzrückgang betroffen ist das Bürotransaktionsvolumen, auf das 186 Millionen Euro und damit 87 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum entfallen, berichtet Savills.
So entwickelte sich der Gewerbe-Immobilienmarkt Hamburg:
Das erste Quartal am Investmentmarkt für gewerbliche Immobilien Hamburg fiel laut Immobilienberater Grossmann & Berger sehr verhalten aus. In den ersten drei Monaten belief sich das Transaktionsvolumen auf rund 170 Millionen Euro. Gegenüber dem äußerst starken Vorjahresquartal bedeutet dies einen Rückgang um rund 61 Prozent. Büroimmobilien waren mit einem Volumenanteil von rund 42 Prozent die am stärksten gehandelte Assetklasse, gefolgt von Einzelhandelsimmobilien (28 Prozent).
„Die größte Wegstrecke der Zinskorrektur dürfte jedoch hinter uns liegen, sodass Investoren perspektivisch wieder mehr Planungssicherheit gewinnen. Daher bin ich optimistisch, dass wir in der zweiten Jahreshälfte wieder mehr Transaktionen verzeichnen werden“, sagt Frank-D. Albers, Geschäftsführer von Grossmann & Berger, Mitglied von German Property Partners (GPP).
Bei einer Leerstandsquote von 3,8 Prozent habe die Spitzenmiete das im dritten Quartal 2022 erstmals erreichte Rekordniveau von 35,00 Euro pro Quadratmeter bestätigt, teilt Angermann Real Estate Advisory mit. Die Durchschnittsmiete verzeichnete einen moderaten Rückgang auf nunmehr 19,90 Euro statt 20,20 pro Quadratmeter. „Bedingt durch die unverändert hohe Nachfrage und Abschlussquote von Mietverträgen im hochpreisigen Segment in zentraler Citylage, werden die Büromieten der Hansestadt in den kommenden Monaten tendenziell eher steigen“, so Leon Müller, Senior Immobilienberater bei der Angermann Real Estate Advisory. Auch nach Einschätzung von BNPPRE sei davon auszugehen, dass die Spitzenmiete, die in der Innenstadt erzielt wird, in den kommenden Quartalen weiter anziehen wird.
So entwickelte sich der Gewerbe-Immobilienmarkt München:
Cushman & Wakefield (C&W) hat für den Münchener Büromarkt im ersten Quartal 2023 einen Flächenumsatz von 111.500 Quadratmetern erfasst. Im Vergleich zum Vorjahresquartalswert entspricht dies einem Rückgang von 44 Prozent. Der verhaltene Jahresauftakt sei laut C&W vor allem auf das Fehlen von großflächigen Vermietungen zurückzuführen. Der Großteil des Vermietungsgeschehens (88 von 155 registrierten Abschlüssen) spielte sich im Segment der Flächen unter 500 Quadratmeter ab.
Die nachhaltig erzielbare Bürospitzenmiete habe in München im ersten Quartal mit monatlich 44,00 Euro pro Quadratmeter erneut ein Rekordhoch erreicht. Im Vergleich zum Vorjahresquartalswert bedeutet dies ein Plus von 4,50 Euro pro Quadratmeter, verglichen mit dem vierten Quartal 2022 ein Plus von 0,50 Euro pro Quadratmeter. Auch die Durchschnittsmiete über die Neuanmietungen der vergangenen zwölf Monate erreichte einen neuen Spitzenwert. Sie liegt jetzt bei monatlich 23,65 Euro pro Quadratmeter und erhöhte sich damit um 0,50 Euro pro Quadratmeter im Vergleich zum ersten Quartal 2022.
Den größten Flächenumsatz erzielten Industrieunternehmen mit 24.700 Quadratmetern beziehungsweise 22 Prozent und Unternehmen aus der Bau- und Immobilienbranche mit 20.200 Quadratmetern. „Die Nachfrage nach modernen und zentralen Büroflächen seitens der Nutzer bleibt hoch. So auch der Mangel an entsprechenden Flächen“, meint Alexander Meyer, Director und Head of Munich Office bei Savills und ergänzt: „Angesichts des knappen Angebots an hochqualitativen Flächen in guten Lagen könnte es zu einem weiteren Anstieg der Spitzenmieten kommen.“
Am Münchener Gewerbeimmobilien-Investmentmarkt verzeichnete Savills im ersten Quartal 2023 lediglich vier Transaktionen, die sich auf etwa 381 Millionen Euro Umsatzvolumen summierten. Gegenüber dem Vorjahresquartal stellt dies einen Umsatzrückgang von 58 Prozent dar. Marcel Wolter, Director Investment bei Savills in München, erläutert: „Das Interesse am Münchner Immobilienmarkt stufen wir nach wie vor als überdurchschnittlich ein. Wir erwarten eine Preis- und damit Marktstabilisierung frühstens in der zweiten Jahreshälfte.“