Obgleich Angebot und Nachfrage in den vergangenen zwei bis drei Jahren europaweit zulegten, fristeten European Long-Term Investment Funds (ELTIFs) in Deutschland bislang eher ein Schattendasein. Die im März 2023 im EU-Amtsblatt veröffentlichte überarbeitete ELTIF-Verordnung könnte der Anlageform aber neuen Schwung verleihen und Kleinanlegern den Zugang zu langfristigen Anlagemöglichkeiten beispielsweise in Infrastrukturprojekte in Europa erleichtern.
Die Europäische Union hat das Investmentvehikel ELTIF im Jahr 2015 geschaffen, um insbesondere auch Privatanlegern langfristige Investitionen in illiquide Privatmarktanlagen, also in nicht-börsennotierte Anlageobjekte zu ermöglichen. So ist beim ELTIF neben vergleichsweise niedrigen Mindestinvestitionssummen von 10.000 Euro auch der Anlegerschutz großgeschrieben. Zu den Schutzmaßnahmen zählen transparente Kosten, ein begrenzter Fremdkapitaleinsatz, Depotfähigkeit und hohe Auflagen an den Asset Manager in Bezug auf Diversifikation und Art der Investments. Nicht minder restriktiv sind die Anforderungen an die Anleger, die sich bislang einem Vermögenscheck und einer separaten Geeignetheitsprüfung unterziehen müssen, bevor sie in einen ELTIF investieren können.
Ein weiterer bedeutsamer Vorteil des ELTIFs ist die Möglichkeit des pan-europäischen Vertriebs, der mit einem kosteneffizienten Setup für die Kunden einhergeht. Trotz dieser Vorteile legten Angebot und Nachfrage erst in den vergangenen zwei bis drei Jahren merklich zu. So ist der Markt für ELTIFs laut dem Analysehaus Scope auch im vergangenen Jahr deutlich gewachsen. Knapp vier Milliarden Euro flossen in die Produkte. Das Marktvolumen beziffert Scope per Ende 2022 auf rund 11,3 Milliarden Euro – ein Plus von etwas mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt 77 ELTIFs standen Anlegern am Jahresende zur Verfügung und damit 23 Produkte mehr als 2021. Unter den Anbietern sind sieben Gesellschaften, die 2022 ihren ersten ELTIF aufgelegt haben. Die meisten ELTIFs (44) sind bei der Luxemburger Aufsichtsbehörde registriert. Zu den aktivsten Asset Managern, die ihre Produkte auch Privatanlegern anbieten, gehören Amundi, Azimut, Blackrock, Commerz Real, Generali Investments, Eurazeo, Muzinich, Neuberger Berman und Partners Group.
Wie schon im Vorjahr ist das platzierte Volumen gleichmäßig auf die Assetklassen Private Equity, Infrastruktur und Private Debt verteilt. Bei der Anzahl der Produkte dominieren Private Equity und Private Debt. ELTIFs auf Infrastruktur wurden größtenteils für institutionelle Kunden aufgelegt und sind entsprechend großvolumig. Aber auch Produkte, die auch an Privatanleger vertrieben werden dürfen, haben an Bedeutung gewonnen: Mit einem platzierten Kapital von 2,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr ist ihr Anteil am Gesamtmarktvolumen von 54 Prozent auf 60 Prozent gestiegen. In rein institutionelle Produkte flossen 1,5 Milliarden Euro. Sie machen damit 40 Prozent aus, nachdem ihr Anteil 2021 noch bei 46 Prozent lag.

Der größte Markt nach platziertem Volumen ist mit 3,8 Milliarden Euro Frankreich. Er ist zum einen von Produkten geprägt, die ausschließlich für institutionelle Kunden vorgesehen sind. Zum anderen hat der Vertrieb von ELTIFs an Privatkunden in Form von fondsgebundenen Lebensversicherungen an Fahrt aufgenommen. Bezogen auf das Retailgeschäft bleibt Italien der größte Markt. Rund 95 Prozent des Gesamtvolumens von 2,6 Milliarden Euro stecken in Produkten, die vornehmlich an Privatkunden vertrieben werden. Auf den Vertrieb von ELTIFs in Italien wirken sich Steuererleichterungen weiterhin positiv aus. Dagegen hat sich der deutsche Markt im Jahr 2022 vergleichsweise wenig weiterentwickelt. Das in ELTIFs platzierte Volumen stieg im Jahr 2022 auf 1,49 Milliarden Euro – ein Plus von 620 Millionen Euro. Davon entfielen 406 Millionen Euro auf den „klimaVest“ der Fondsgesellschaft Commerz Real, dessen Volumen zum Jahresende auf eine Milliarde Euro wuchs.
Auch Private-Banking-Einheiten von Großbanken platzieren ELTIFs bei ihren Kunden. Viele neue Vertriebsnetzwerke oder Privatbanken wurden aber nicht erschlossen. Der Ausblick ist laut Scope positiver. Dem Analysehaus zufolge werden derzeit Produkte lanciert oder sind in Planung und mehr Stiftungen, Family Offices und auch erste Maklerpools interessieren sich für ELTIFs. Unter anderem hätten der Hamburger Asset Manager Aquila Capital, das Berliner Private-Equity-Fintech Moonfare und Union Investment, die Fondsgesellschaft der genossenschaftlichen Finanzgruppe, ihre Pläne für einen Einstieg in den ELTIF-Markt angezeigt.
Auch die Verabschiedung der ELTIF-Gesetzesnovelle sorgt für Schwung. Laut der European Fund and Asset Management Association (EFAMA) habe die überarbeitete Regelung das Potenzial, sich zu einer attraktiven Fondsstruktur für langfristige Investitionen zu entwickeln, die insbesondere für Kleinanleger von Vorteil sei. Wichtige Gesetzesänderungen haben die ELTIF-Fondsstruktur für Vermögensverwalter und Anleger gleichermaßen attraktiver gemacht. Dazu zählt ein breiteres Spektrum an zulässigen Vermögenswerten, einschließlich einer vereinfachten Definition von „realen Vermögenswerten“, eine erhöhte Marktkapitalisierungsschwelle und der Möglichkeit, in Fintechs, STS-Verbriefungen und grüne Anleihen zu investieren. Hinzu kommen flexible Fondsregeln mit einem größeren Spielraum für liquide Anlagen, flexiblere Anforderungen an die Risikodiversifizierung, die Möglichkeit, in Dachfonds und Master-Feeder-Strukturen zu investieren sowie eine größere Hebelwirkung zu nutzen. Außerdem schaffe die überarbeitete Verordnung einen verbesserten Zugang und sicherere Bedingungen für Kleinanleger, einschließlich der Abschaffung der früheren Eintrittskarte von 10.000 Euro, der Abschaffung des Mindestnettovermögens und der Harmonisierung des Vertriebssystems durch Angleichung der ELTIF-Eignungsprüfung an MiFID II. Antoine de la Guéronnière, stellvertretender Vorsitzender des EFAMA Fund Regulation Standing Committee: „Die Änderungen am aktuellen ELTIF-Rahmenwerk sind ein hervorragender und notwendiger Schritt nach vorn, der ELTIF dabei helfen wird, eine ergänzende Finanzierungsquelle für die europäische Realwirtschaft zu werden und insbesondere den fast unerschlossenen Privatkundenmarkt für längerfristige Sachwertinvestitionen zu erschließen.“ Elona Morina, Beraterin für Regulierungspolitik bei der EFAMA, fügt hinzu: „Da die neuen Kriterien endlich mit den Anforderungen in Einklang gebracht wurden, die erforderlich sind, um das Produkt zu einer attraktiven und wettbewerbsfähigen langfristigen Anlagestruktur zu machen, stößt die Neugestaltung des ELTIF bei den Branchenteilnehmern auf großes Interesse.“