Fragen an Verbände zur Zukunft des „freien Vertriebes“

Wir haben ermittelt, dass Kapitalverwaltungsgesellschaften, die Publikums-AIF emittieren in zunehmender Zahl Direkt-Zeichnungstechniken entwickeln, um digitale Zeichnungen (also beratungsfreie Anlageentscheidung) von Anlegern zu ermöglichen. Der Grund dafür könnte sein, dass Vertriebsprovisionen eingespart werden sollen. Wenn dieser Trend sich stark weiterentwickelt, dann könnte der „freie“ Vertrieb, der unabhängige Anlageberater, bald eine wesentliche Einkommensquelle verlieren. Wir haben die wichtigsten Branchenverbände um ihre Einschätzung gebeten.

Frank Bock, Leiter Kommunikation des BVI Bundesverband Investment und Asset Management e.V

Gemäß der Verwahrstellenstatistik des BVI verwahrten die Depotbanken in Deutschland zum 31. Dezember 2021 ein Netto-Vermögen von 33 Milliarden Euro in KAGB-konformen geschlossenen Sachwertefonds. Davon entfallen acht Milliarden Euro auf geschlossene Sachwerte-Publikumsfonds. Geschlossene Publikums-AIF sind grundsätzlich ein beratungsintensives Produkt. Aus unserem Mitgliederkreis haben wir keine Signale für eine Stärkung des beratungsfreien Vertriebs dieser Fonds erhalten. Gleichwohl schreitet die Digitalisierung in allen Bereichen der Wertschöpfung im Fondsgeschäft voran, und es ist nachvollziehbar, wenn Kapitalverwaltungsgesellschaften zusätzliche Wege des Vertriebs auf dem Schirm haben.

Klaus Wolfermann, Vorstand des VKS Verband der Kapitalverwaltungsgesellschaften und Sachwertanbieter e.V

Grundsätzlich bleibt seitens unserer Verbandsmitglieder festzuhalten, dass der Vertrieb von Sachwertanlagen wie Publikums-AIF, Vermögensanlagen und sachwertorientierten Wertpapieren, in erster Linie über etablierte Vertriebspartner erfolgt. Hier profitieren die Kapitalverwaltungsgesellschaften von jahrzehntelangen Verbindungen zu ihren Partnern, die von Vertrauen und guter Zusammenarbeit geprägt sind. Auch wir beobachten, dass im Zuge der Digitalisierung nach effizienten und verbesserter Einreichungswegen gesucht wird. Dabei steht insbesondere die fehlerfreie und vollständige Übersendung von Unterlagen im Fokus. Aufgrund der unverändert hohen Bedeutung des Vertriebspartnergeschäftes für diese Branche, wird es wichtig sein, die Modernisierung und Digitalisierung in enger Abstimmung mit den Partnern voranzutreiben. Erste anbieterübergreifende Plattformen und Lösungen sehen wir bereits im Markt. Hier werden wir uns bei der Weiterentwicklung mit unseren Verbandsmitgliedern einbringen und dabei stets den Kontakt zu unseren Vertriebspartner halten.

Martin Klein, geschäftsführender Vorstand des Branchenverbands Votum Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e.V.

Das Thema hat einige Facetten. Bisher haben wir den Eindruck, dass die digitalen Zeichnungsstrecken von den AIF-Anbietern angeboten werden, um diejenigen Vermittler zu unterstützen, die über eine solche digitale Abschlussmöglichkeit noch nicht verfügen – etwa durch Anbindung an einen Vertrieb oder einen Pool.

Ein solches Hilfsmittel kann nützlich sein, ist jedoch auch mit großer Vorsicht einzusetzen. Beratern, die eine langjährige Kundenbeziehung aufgebaut haben, kann es kaum gelingen, sich für zukünftige Abschlüsse auf die Position des bloßen Vermittlers zurückzuziehen. Sie müssen daher bei einer Anlageberatung eine Geeignetheitsprüfung mit Geeignetheitserklärung durchführen. Dies wird von den digitalen Tools häufig gar nicht erst angeboten und wenn doch, dann nicht in der von den Gerichten geforderten Qualität. Hier drohen daher bei leichtfertigem Einsatz Gefahren bis hin zum Verlust des Deckungsschutzes bei der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, wenn diese den Vorwurf erhebt, der Berater habe vorsätzlich gesetzliche Beratungspflichten nicht erfüllt. Der Wunsch, Anleger digital direkt zum Abschluss zu bewegen, ist aus Sicht eines AIF-Anbieters, gerade wenn er auf eine langjährig solide Leistungsbilanz verweisen kann, nachvollziehbar – das sollte jedoch die Ausnahme bleiben.

Der Gesetzgeber hat deutlich gemacht, dass er den Direktvertrieb von Kapitalanlagen mit einem unternehmerischen Risiko nicht wünscht. Bei Vermögensanlagen wurde hier erst im Sommer 2021 mit dem Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegeschutzes ein Verbot des Direktvertriebs eingeführt (§ 5b Abs. 3 VermAnlG). Ein übertriebenes Angebot zum Direktabschluss ist daher ein Spiel mit dem Feuer, bei dem sich Finanzaufsicht und Gesetzgeber zum Eingreifen gezwungen sehen könnten.

Das Direktzeichnungsangebot hat häufig Kunden im Fokus, die Mehrfach- oder Wiederholungszeichner sind. Auch diese Anleger wurden jedoch zunächst von einem Berater auf den Anbieter aufmerksam gemacht und diese Erstempfehlung war dann der entscheidende Impuls. Dies sollten die Anbieter auch weiter honorieren.  Wir raten daher den Beratungsunternehmen in unserem Mitgliederkreis, auf eine entsprechend absichernde Vertragsgestaltung für Folgegeschäfte zu achten. Bisher können wir jedoch nicht beobachten, dass sich Anbieter ihre bisher erfolgreichen Vertriebswege durch unlauteres Geschäftsgebaren verprellen, in der vagen Hoffnung beim Direktgeschäft höhere Margen zu erzielen. Wir erleben vielmehr ein großes Interesse an der Vertiefung der Kooperationen – was sich nicht zuletzt auch durch den Mitgliederzuwachs in unserem Verband zeigt.

André Hentz, Pressesprecher Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA) e.V.

Wir haben keine Erkenntnisse, Belege oder Anzeichen dafür, dass digitale Zeichnungen bei Publikums-AIF tatsächlich zunehmend den Markt dominieren. Ferner gehören zu unseren Mitgliedern keine freien Vertriebe, sondern in erster Linie Kapitalverwaltungsgesellschaften. Daher gibt es keine Verbandsmeinung zu diesem Thema.

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