Am 24. Mai hat die Europäische Kommission den angekündigten Regulierungsentwurf für eine Kleinanlegerstrategie („Retail Investment Strategy“) vorgelegt. Diese soll als ein zentrales Element der Kapitalmarktunion darauf abzielen, das Vertrauen in die Kapitalmärkte zu stärken und dadurch insbesondere Investitionen von Kleinanlegern zu fördern.
„Für die deutschen Banken und Sparkassen ist es ein wichtiges Signal, dass die EU-Kommission von ihrer ursprünglichen Intention, ein vollständiges Provisionsverbot vorzuschlagen, abgesehen hat“, so Daniel Quinten, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutsche Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) für die Deutschen Kreditwirtschaft (DK).
Ein solches Verbot hätte aus Sicht der EU-Kommission unabsehbare Folgen für Märkte und Verbraucher.
Kritisch bewertet die DK aber, dass die EU-Kommission ein Provisionsverbot für das in Deutschland weit verbreitete beratungsfreie Geschäft vorsehen möchte. Zudem schlägt sie eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen vor, die in ihrer Gesamtheit das Wertpapiergeschäft deutlich komplexer machen. „Eine ehrliche Kosten-/Nutzen- und Wettbewerbsanalyse sind geboten“, mahnt Quinten. Insgesamt würde der Gesetzesentwurf die ursprünglichen Ziele der Kommission nicht umsetzen. Diese waren, den Zugang von Kleinanlegern zum Kapitalmarkt zu vereinfachen, überflüssige Informationen abzuschaffen und die Prozesse effizienter und damit für Kleinanleger attraktiver zu gestalten. Ausdrücklich positiv hingegen bewertet die DK, dass die EU-Kommission die Verbesserung der finanziellen Bildung in ihrem Vorschlag aufgegriffen hat.
Nach Ansicht des Deutschen Derivate Verbands (DDV) muss die Retail Investment Strategy so gestaltet werden, dass sie einen „spürbar positiven Effekt“ für die Wertpapierkultur bewirkt. „Wichtig ist, dass sowohl im Beratungsgeschäft als auch im sogenannten beratungsfreien Geschäft die unterschiedlichen Erwartungen und Situationen der Anlegerinnen und Anleger berücksichtigt werden“, so Dr. Henning Bergmann, geschäftsführender Vorstand des DDV. So begrüßt der Verband, dass die EU‐Kommission von einem vollständigen Verbot von Zuwendungen Abstand genommen hat und die Wertpapierberatung bei Banken und Sparkassen nicht beschädigen will. Auch der DDV hinterfragt aber die vorgeschlagenen Beschränkungen im beratungsfreien Geschäft, in dem Anleger selbst die Entscheidung treffen, welche Wertpapiere sie erwerben wollen. Denn auch im beratungsfreien Geschäft könnten Zuwendungen dem Anleger einen Mehrwert oder zusätzlichen Service bringen. In den weiteren Beratungen in Rat und EU‐Parlament sollte dieser Aspekt berücksichtigt werden. Bergmann: „Die Retail Investment Strategy und die weiteren Konkretisierungen müssen auf Bedürfnisse aller Anlegerinnen und Anleger ausgerichtet sein, um die Wertpapierkultur weiter zu fördern und den Zugang zu Wertpapieranlagen zu erleichtern.“
Der DDV begrüßt zudem das Ziel der EU‐Kommission, Anlegerinformationen zu vereinfachen und digitale Medien stärker zu berücksichtigen. Viele Fragen werden hierbei auf den sogenannten Level II delegiert, das heißt, die Ausformung sollen die Europäischen Aufsichtsbehörden, insbesondere die ESMA, übernehmen. Der Erfolg der Retail Investment Strategy werde maßgeblich davon abhängen, dass auf Level II praxisgerechte Lösungen gefunden werden. Bergmann: „Es ist wichtig, die Informationen für die Anlegerinnen und Anleger übersichtlich sowie zweckmäßig bereitzustellen und die Chancen der Digitalisierung zu nutzen.“ Dabei sei es auch sinnvoll, zwischen den unterschiedlichen Anlegertypen mit unterschiedlichen Anlagezielen und ‐motiven zu unterscheiden.
Der europäische Fondsverband EFAMA bezeichnet die Veröffentlichung der Retail Investment Strategy als wichtigen Moment, da die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für eine stärkere Beteiligung von Kleinanlegern an den Kapitalmärkten sowohl für die Zukunft der europäischen Wirtschaft als auch der EU-Bürger von entscheidender Bedeutung sein. In der Strategie sieht der Verband positive Elemente, die die Fondsbranche seit langem befürworte, wie beispielsweise die Offenlegung von digitalen Informationen, die Beibehaltung sowohl von gebühren- als auch von provisionsbasierten Vertriebsmodellen und vergleichbare Regeln für alle Arten von Anlageprodukten. Diese Maßnahmen würden den Anlegern den Zugang zur Finanzberatung erhalten, die Benutzerfreundlichkeit der Offenlegungen verbessern und für mehr Klarheit sorgen. Es bleibe jedoch abzuwarten, ob die Bandbreite der zusätzlichen Vorschriften, die in der Strategie vorgesehen sind, den Kleinanlegern zu besseren Ergebnissen verhelfen wird. […] Es sollte darauf geachtet werden, dass die Komplexität der Offenlegungen und der Einhaltung der Vorschriften nicht unangemessen erhöht wird, ohne dass dies einen Nutzen bringt.
Der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW begrüßt, dass die EU-Kommission von ihrer ursprünglichen Idee eines vollständigen Provisionsverbots bei der Vermittlung von Finanzanlageprodukten vorerst Abstand genommen hat. „Das ist grundsätzlich gut“, so Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW.
Doch der Vorschlag sehe weiterhin das vor, was bereits in einem zuvor geleakten und durch den AfW deutlich kommentierten Entwurf enthalten war. Es finde sich neben dem geplanten Verbot für „execution only“-Geschäfte weiter das Vorhaben, die IDD in einem wesentlichen Punkt zu ändern. So sei nach dem Entwurf geplant, dass unabhängig agierende Vermittler – in Deutschland qua Gesetz also Versicherungs -makler – keine Provisionen mehr für die Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten erhalten sollen.
„Das mögen einige vielleicht nach dem Motto akzeptieren: Es hätte ja noch viel schlimmer kommen können oder vielleicht ist es ja gar nicht so gemeint. Wir nicht! Wir halten es für komplett abwegig, dass dieses wettbewerbsverzerrende Vorhaben im Sinne von Verbraucherschutz sein soll“, so Wirth weiter. „Makler würden im Wettbewerb gegenüber gebundenen Vertretern massiv benachteiligt und diskriminiert. Wir werden auf eine ersatzlose Streichung dieser europarechtswidrigen Regelung hinwirken.“ Eine vertiefte Analyse zu weiteren Einzelaspekten des Vorschlages der EU-Kommission werde durch den AfW noch erfolgen. In vielen Punkten sei überbordende Bürokratie angelegt, die es zu vermeiden gelte.