Die deutsche Pflegebranche steht derzeit durch einige Insolvenzen auf Betreiberebene in der nationalen Presse. Warum ist dies so und was sind die aktuellen Herausforderungen in diesem durchregulierten Markt? Alexander Klein, Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaft Verifort Capital Distribution GmbH, kommentiert die derzeitige Situation und Berichterstattung.
Während die Akquisition von Pflegefachkräften schon seit mehreren Jahren Schwierigkeiten bereitet und die Situation durch die extremen Arbeitsbelastungen während der Corona-Pandemie noch prekärer wurde, sehen sich die Betreiber von Pflegeeinrichtungen nun neuen Herausforderungen gegenüber.
Im Mai 2022 trat die Pflegearbeitsbedingungenverordnung (5. PflegeArbbV) durch die Bundesregierung in Kraft. Diese regelte den zukünftigen Mindestlohn für Angestellte, die in der Pflege tätig sind. Auch die Urlaubsansprüche der Pflegekräfte wurden in dieser Verordnung neu geregelt. Dies sind selbstverständlich gute Entwicklungen zur leistungsgerechten Bezahlung und Anerkennung der Leistung der Pflegenden. Die große Schwierigkeit der Pflegeeinrichtungen ist jedoch, dass die Anpassung des Mindestlohns ohne entsprechende Gegenfinanzierung eingeführt wurde. So werden sich die Pflegesätze erst zu Anfang 2024 um voraussichtlich fünf Prozent erhöhen. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen die gestiegenen Personalkosten durch die Betreiber von Pflegeeinrichtungen anders kompensiert werden.
Dazu kommt, dass seit dem Krieg in der Ukraine und dem damit verbundene Paradigmenwechsel in der deutschen Energiepolitik, weg von russischem Gas die Energiekosten explodiert sind. Diese Preisentwicklungen mit Preissteigerungen beim Gas von bis zu 80 Prozent, trifft selbstverständlich wie viele andere Branchen auch die Pflegeeinrichtungen. Viele, vor allem ältere Einrichtungen mit schlechter energetischer Gebäudeausstattung, trifft es hier durch nun sehr viel höhere Energieausgaben besonders hart. Die Gegenfinanzierung dieser Kosten ist noch nicht geregelt.
Neben den Energiekosten sind die stark gestiegenen Lebensmittelkosten Grund für die hohe Inflationsrate. Vor allem die Preise für Grundnahrungsmittel sind zwischen 20 und 50 Prozent gestiegen. Für die Verpflegung der Pflegebedürftigen werden Tagessätze zwischen fünf und sieben Euro zwischen den Betreibern der Pflegeeinrichtungen und den Pflegekassen beziehungsweise dem Träger der Sozialhilfe vereinbart. Diese gelten in der Regel mehrere Jahre. Das heißt entweder wird mit den steigenden Lebensmittelpreisen an der Qualität/Menge gespart, oder der Betreiber muss dies ohne Gegenfinanzierung bezahlen.
Aus unserer Sicht ist für alle vorgenannten Problemstellungen in erster Linie eine politische Lösung erforderlich. Auf Grund des stark steigenden Eigenanteils an den Pflegekosten sind immer mehr Pflegebedürftige auf Unterstützung der Sozialkassen angewiesen. Dies kann nicht die Lösung sein. Vielmehr bedarf es gesetzgeberischer Maßnahmen, wie zum Beispiel die notwendige, deutliche Anpassung der Investitionskosten, die der Refinanzierbarkeit der Miete dienen. Auch müssen sich die Pflegesätze deutlich erhöhen, die in Aussicht gestellten fünf Prozent werden nicht ausreichen.
Als Immobilieneigentümer sind wir in der Verantwortung den Betreibern eine attraktive und den aktuellen Verordnungen entsprechende Immobilie für ihre Arbeit bereitzustellen. Dies ist aber nur ein Teil, um einen wirtschaftlich überlebensfähigen Betrieb zu gewährleisten. Darüber hinaus können wir auf Grund unserer Unternehmensgröße, mit rund 630 Millionen Euro Asset under Management, die von uns verhandelten Energielieferrahmenverträge an unsere Betreiber zu Preisen, die unter dem aktuellen Markt liegen, weitergeben. Weiterhin lassen in Teilen auch bestehende Mietverträge Handlungsspielräume zu. Dies betrifft insbesondere Regelungen zur Indexierung sowie eventuelle Stundungsvereinbarungen der Miete.
