Am vergangenen Dienstag hat der Ausschuss „Finanzdienstleistungen für Privathaushalte“ beim Deutschen Institut für Normung das Norm-Modul für die Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen endgültig verabschiedet. Es liegt nun vor.
Sage niemand, Normungsarbeit gehe nur im Schneckentempo. Sie funktioniert auch zügig, wenn es nottut: Am 15. Januar wurde die Arbeit am Projekt gestartet, am 14. April der Textentwurf fertiggestellt und bis zum 6. Juli der Fachöffentlichkeit zur Konsultation vorgelegt. Am 12. Juli wurde das endgültige Norm-Dokument nach zweitägiger, konzentrierter Diskussion und Überarbeitung des Textes – wie immer – im Konsens abgesegnet.
Dabei wurde keineswegs mit heißer Nadel gestrickt. Dafür war das Gremium viel zu hochkarätig besetzt. Den Spitzen-Juristen und -Nachhaltigkeitsexperten, die sich gemeinsam mit Top-Vertrieblern, -Versicherern, -Investmentbankern und -Verbraucherschützern auf den Husarenritt des Projektes eingelassen haben, kann nicht genug für ihren Einsatz gedankt werden.
Denn nicht nur die Zweit war knapp, vor allem waren die Herausforderungen groß: Denn es ging um nicht weniger, als eine vom Kunden aus gedachte, möglichst einfache und zugleich nicht in die Produktwüste führende, aber der Regulatorik gerecht werdende und damit haftungssichere Abfragelogik zu definieren.
Besonders der letzte dieser vier Punkte verlangte den Experten alles ab. Denn die vorliegenden Verordnungen auf EU- und Bundesebene sind unvollständig und teilweise chaotisch widersprüchlich und mithin ungeeignet, klare Orientierung zu geben. Der Gesetzgeber hat schlicht seine Hausaufgaben nicht gemacht, das Pferd von hinten aufgezäumt. Vor allem nämlich hat er noch nicht geregelt, wie nachhaltige Produkte wirklich aussehen sollen. Die Regulatorik ist zwar sofort auf dem Plan, wenn es um Vorwürfe des Greenwashings geht, aber die Definition von ungewaschenem Grün ist sie uns bis heute schuldig.
Aber wenigstens bezüglich der Abfrage haben wir jetzt Klarheit und Sicherheit – durch die Norm. Denn Normung kann der Regulatorik vorausgehen, muss ihr nicht zwingend immer nur folgen. Eine Norm beschreibt den jeweils aktuellen „Stand der Technik“ und gibt damit Anwendern Sicherheit, auch wenn zum jeweiligen Thema zum Zeitpunkt der Normanwendung keine klare Regulatorik vorliegt. Wer DIN-Normen anwendet, dem kann kein Fehlverhalten vorgeworfen werden!
Wenn dann eine präzise Gesetzgebung vorgelegt wird, muss – bei Abweichungen – freilich jede Norm angepasst werden. Das ist Normungsalltag. Dabei kann es sich immer eher um marginale Änderungen handeln. Denn üblicherweise schaut die Gesetzgebung auf die Normung, weil sie weiß, dass in der Normung Fachexperten mit den unterschiedlichsten Blickwinkeln beraten und entscheiden und dass die Expertise der Politik meist deutlich hinter der der Normung zurückbleibt. Ob die Erkenntnis sich auf unsere Branche bezogen schon durchgesetzt hat, kann bezweifelt werden; denn immerhin ist Normung in der Finanzdienstleistung noch ein junges, zartes Pflänzchen.
Außerdem kann die Politik trefflich kritisieren, dass die Bereitschaft der Marktteilnehmer, Normen anzuwenden, deutlich hinter der zurückbleibt, sie zu entwickeln. Wenn man aus dem nachgerade masochistischen Kreislauf herauskommen will, regelmäßig politische Regulatorik durch fehlende Selbstregulierung zu provozieren, um dann in kollektives Wehklagen über deren nachteilige Auswirkungen auszubrechen, braucht es schon ein bisschen mehr Bereitschaft der Branche, die selbst gegebenen Regeln anzunehmen und sich an ihnen zu orientieren.
Die Chance dafür ist mit der neuen Norm mehr denn je gegeben. Denn eben angesichts der fehlenden klaren Gesetzgebung bietet sie die einzig verlässliche Orientierung für die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen ab dem 2. August.
Zudem haben die Normer den potenziellen Anwendern das Leben wirklich so leicht wie möglich gemacht. Sie haben antizipiert, dass sich die ESG-Abfrage an die durchaus aufwendige Risikoprofilierung anzuschließen hat – das ist mal eine klare Vorschrift – und dass der Prozess deshalb so einfach wie möglich gestaltet werden muss. Im anderen Falle könnten Berater und Kunden die Lust am Thema Nachhaltigkeit verlieren und es abwählen. Dann würde der Schuss nach hinten losgehen und das Interesse an nachhaltigen Anlagen eher sinken als steigen.
Was nun mit der Norm vorliegt, ist eine Abfragelogik aus maximal sieben Schritten: Diese hangelt sich von der Feststellung des grundsätzlichen Kundeninteresses an Nachhaltigkeit über die mögliche Setzung inhaltlicher Schwerpunkte, die Frage der gewünschten Intensität und die Mindestanteile von Nachhaltigkeit in der Anlage bis hin zu möglichen Ausschlüssen. Die Reihenfolge der Fragen kann weitgehend flexibel gehalten werden – und: In bestimmten, wahrscheinlich den meisten Fällen kann die Anzahl der Fragen von sieben auf drei reduziert und damit der Vorgang deutlich beschleunigt werden.

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