Wenn es nach Mairead McGuinness geht, der für den europäischen Kapitalmarkt zuständigen EU-Kommissarin, dann kommt auf die deutschen Anlageberater und Versicherungsvermittler ein finanzieller Tsunami nicht gekannten Ausmaßes zu: Das bei uns erprobte herrschende System der provisionsbasierten Finanzberatung würde abgeschafft. Grund genug für die Unions-Fraktion im Bundestag, die Bundesregierung zu fragen, wie sie zu den EU-Plänen steht. EXXECNEWS berichtet.
Die zentrale Frage von CDU/CSU in einer kleinen Anfrage vom 2. Februar 2023 an die Bundesregierung: „Wie positioniert sich die Bundesregierung gegenüber den Äußerungen der EU-Kommissarin für weitere Regulierungsmaßnahmen, die eine Abschaffung der Provisionsberatung zum Ziel haben könnten, und in welcher Form wurde diese Position gegenüber der EU-Kommission vertreten?“ Für 190.708 beim Vermittlerregister eingetragene Versicherungsvermittler und 39.949 Finanzanlagenvermittler dürfte die Antwort vom 3. März 2023 von Dr. Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium der Finanzen, für die Bundesregierung, nicht befriedigend sein: „Die Meinungsbildung der Bundesregierung ist zu dieser Frage noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung wird im Lichte der zu erwartenden Vorschläge der Europäischen Kommission hierüber entscheiden.“
Die Union macht sich stark für die Beibehaltung des bisherigen Systems der Provisions- und Honorarberatung, was gerade im Interesse von Kleinanlegern sei. Bei Anlagebeträgen bis zu 25.000 Euro sei die Honorarberatung teurer als bei provisionsbasierter Beratung. Über die Hälfte aller Investitionen liege bei Einmalanlagen unter 5.000 Euro oder bei unter 100 Euro mit monatlichen Sparraten. Auch der Verweis auf Großbritannien und die Niederlande, wo es bereits Provisionsverbote gibt, sei irreführend: Nach Erkenntnissen der britischen Finanzaufsicht FCA wurden überwiegend fortlaufende Beratungs-Dauerverträge abgeschlossen, wodurch Kunden für Dienstleistungen zahlen würden, die sie gar nicht benötigen. In den Niederlanden sei ein deutlicher Rückgang in der Anlageberatung festzustellen, was auch nicht im Interesse der meist in Finanzdingen unerfahrenen Anleger liege. Bei der Provisionsberatung sei die Beratung – und auch eine Folgeberatung – für den Kunden kostenlos, wenn er nicht abschließt. Auch sei die Honorarberatung anders als die Provisionsberatung umsatzsteuerpflichtig und verteure diese auf Kosten der Kunden. Anlageberatung im Vorfeld sei aber dringend zu empfehlen, um über die Chancen und Risiken aufzuklären und das Investmentprofil an die Bedürfnisse des Kunden anzupassen. „In der Provisionsberatung werden dabei auch Anleger mit niedrigen monatlichen Sparraten beraten, da die Kosten für deren Beratungen durch Anleger mit höheren Vertragsvolumina quersubventioniert werden“, so die Union in ihrer Anfrage.
Deutlich wird das auch im Vergleich mit dem derzeitigen Marktsegment der Honorarberatung, das Toncar für die Bundesregierung beschreibt: „Derzeit sind 18 Kredit- und Wertpapierinstitute im BaFin-Register der Unabhängigen Honorar-Anlageberater aufgeführt. Nach vorliegenden Daten betreuen diese Institute für etwas mehr als 2.500 Privatkunden ein Anlagevolumen von etwa 1,4 Milliarden Euro, durchschnittlich 552.000 Euro pro Kunde. Diese Kredit- und Wertpapierinstitute betreuen folglich insbesondere sehr vermögende Privatkunden.“ Über die 306 beim Vermittlerregister erfassten Honorar-Finanzanlageberater lägen der Bundesregierung dagegen keine Daten vor.
Dr. Carsten Brodesser, Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion, kommentiert die Antwort der Bundesregierung: „Sie ist ebenso wie wir der Auffassung, dass grundsätzlich jeder Kleinanleger Zugang zu einer persönlichen Beratung haben sollte. Auch der Bundesregierung liegen keine Kenntnisse vor, dass Provisionen in Deutschland zu einer für Verbraucher systematisch unvorteilhaften Beratung führen. Zugleich stellt die Bundesregierung fest, dass die Entwicklung in den Niederlanden, die von der EU-Kommission als Referenzmarkt genannt wird, aus Verbraucherschutzsicht durchaus kritisch gesehen werden kann. Die Bundesregierung erkennt zudem, dass eine Beratung mittels Robo-Advice, die Kommissarin McGuinness als Alternative vorschlägt, für längst nicht jeden Kleinanleger geeignet ist. Und sie hält fest, dass sowohl Honorar- als auch Provisionsberatung Vor- und Nachteile bereithalten. Dass sich die Bundesregierung auf Basis dieser Erkenntnisse noch nicht einmal unserer Forderung nach einem Nebeneinander von Honorar- und Provisionsberatung anschließen kann, zeigt einmal mehr die Zerstrittenheit der Ampel auch in dieser Frage.“ EXXECNEWS wird weiter berichten. Wir fragen Berater, Vertriebe und Verbände.