Aktien bringen mehr Rendite als Staatsanleihen, oder …? Der amerikanische Finanzprofessor Hendrik Bessembinder hat in einer umfangreichen Veröffentlichung die Performance von US-Aktien und US-Staatsanleihen zwischen 1926 und 2016 verglichen und kam zu einem überraschenden Ergebnis: Die Renditen der meisten Buy-and-Hold-Investments einzelner US-Aktien bleiben hinter den Renditen zurück, die mit einmonatigen US-Treasuries über die gleichen Anlagehorizonte erzielt werden. Siehe (Bessembinder: „Do stocks outperform Treasury bills?“ Journal of Financial Economics 2018, Vol. 129, No. 3)
Wie kommt es dann, dass ein breiter Aktienmarktindex die Renditen von US-Staatsanleihen deutlich übertrifft? Die Erklärung für dieses scheinbare Paradoxon liegt in der Verzerrung der Aktienrenditen: Eine kleine Anzahl von Aktien generiert den größten Teil der Renditen eines breiten Aktienmarktindex. Ein Grund dafür ist, dass einige Unternehmen einfach besser für die gesellschaftliche Transformation positioniert sind. Thematische Investments bieten Anlegern die Möglichkeit, sich auf genau diese Investments zu konzentrieren, indem sie die aktuellen und zukünftigen Champions für jeden Trend identifizieren. So bleiben die Unternehmen übrig, die gut aufgestellt sind, um von Transformationsprozessen zu profitieren. Die Kehrseite der Medaille ist, dass Investoren, die auf ein bestimmtes Thema setzen, möglicherweise kurzfristig schwankende Renditen aus weniger diversifizierten Portfolios in Kauf nehmen müssen, da die überdurchschnittlichen Renditen viel seltener sind und plötzlich auftreten können.
Darüber hinaus bringen eine höhere Konzentration und eine geringere Diversifizierung in der Regel zumindest theoretisch ein höheres Risiko mit sich. Andererseits haben thematische Portfolios den Vorteil, durch ihre Zusammensetzung in der Regel zu vermeiden, dass die Unternehmen aufgrund des Themas in Schwierigkeiten geraten – der Trend muss dafür natürlich regelmäßig auf seine Aktualität überprüft werden. Und wenn es darum geht, thematische Anlagen in ein größeres Portfolio zu integrieren, ist die Portfoliokonstruktion wichtig.
Teil der Gesamtallokation
Thematisches Investieren mag jetzt attraktiv klingen. Die Frage ist jedoch, wie man es sinnvoll in ein Portfolio einbauen kann. Darauf gibt es wie so oft keine Standardantwort: Diese wird von einer Reihe von Parametern wie der Größe und dem Diversifizierungsgrad des Portfolios bestimmt. Am einfachsten ist es, sich auf ein Kern-Satelliten-Konzept zu stützen und thematische Anlagen in den Satelliten zu integrieren. Das stellt für die meisten Investoren eine adäquate Lösung dar, insbesondere für große Portfolios, die in Themen mit geringer Kapazität investieren, oder für kleinere Investoren, die ihre aktiven Allokationen in thematische Anlagen begrenzen möchten.
In jedem Fall ist es für eine effektive Umsetzung wichtig, im Vorfeld genau zu analysieren, welche Auswirkungen thematische Investments auf die allgemeinen Risiko- und Renditeeigenschaften des Gesamtportfolios haben. Aus diesem Grund ist es vorzuziehen und zugleich einfacher, Themeninvestments direkt in die Gesamtallokation zu integrieren. Dazu muss man verstehen, wie jede thematische Anlage das erwartete Risiko und die Rendite beeinflusst und wie sie mit anderen Anlagen interagiert, also wie sie mit anderen Assets korrelieren, besonders wenn es sich um Themeninvestments in Aktien und Anleihen handelt. Zusätzlich muss analysiert werden, inwieweit thematische Anlagen zusätzlich zu ihrem Exposure zu traditionellen Assetklassen etwas Neues bieten. Bei dieser alles andere als einfachen Aufgabe können quantitative Ansätze eine große Hilfe sein.

Indizes sind ein guter Ausgangspunkt
Die gängigeren Themen können in der Regel durch einen bestehenden thematischen Benchmark-Index abgebildet werden, wie sie etwa von den Standard-Indexanbietern angeboten werden. Dies ist ein guter Ausgangspunkt für den Einstieg in thematische Investments. Themenfonds verwenden diese Indizes häufig als Benchmarks und zielen darauf ab, sie zu übertreffen. Manchmal werden solche Indizes auch von börsengehandelten Fonds (ETF) nachgebildet.
Zwar bieten ETF und Indizes den Vorteil der Standardisierung, aber die Streuung der Renditen von Investments zu einem bestimmten Thema kann groß sein. Denn: Es gibt weniger Konsens darüber, welche Assets in ein Portfolio gehören, das ein Thema repräsentiert, als dies bei Regionen, Sektoren oder vielleicht sogar Stilfaktor-Benchmarks der Fall ist. Schließlich ist es bei Themen, die sich auf bestimmte Wirtschaftssektoren beziehen, nicht ungewöhnlich, dass thematische Fonds nur an einem entsprechenden Sektorindex gemessen werden. In solchen Fällen müssen Investoren den erwarteten Mehrwert bewerten, der sich aus der Ausrichtung der Auswahl auf Unternehmen ergibt, die dem Thema stärker ausgesetzt sind.
Wenn mehr als ein Benchmark-Index oder -Fonds verwendet wird, können Algorithmen des maschinellen Lernens wie beispielsweise Lasso-Regressionen eingesetzt werden, um die Renditen solcher Fonds effizient auszuwählen und zu einer für das Thema repräsentativen Renditezeitreihe zu kombinieren. Lasso (least absolute shrinkage and selection operator) ist eine Methode der Regressionsanalyse, die sowohl eine Variablenauswahl als auch eine Regularisierung durchführt. Dadurch wird die Vorhersagegenauigkeit und die Interpretierbarkeit des resultierenden statistischen Modells verbessert. Unter Regularisierung versteht man das Hinzufügen von Informationen, um eine Überanpassung zu verhindern oder ein unzureichend formuliertes Problem zu lösen (mehr zu Lasso-Regressionen bei Glen: „Lasso Regression: Simple Definition“ From StatisticsHowTo.com 2015).
Sobald für ein Investmentthema eine Zeitreihe der Renditen vorliegt, kann man bewerten, wie sie sich zu den anderen Assets im Portfolio verhält und wie sich die Risiko- und Renditeeigenschaften des Portfolios ändern, wenn man es zum Portfolio hinzufügt. So kann man ermitteln, welche Assets im Portfolio reduziert werden sollten, um eine effiziente Allokation auf thematische Anlagen zu erreichen. Zu diesem Zweck schätzt man die Wechselwirkungen der Renditezeitreihen, die das Thema repräsentieren, gegenüber einem festen Satz von Kern-Assets (beispielsweise regionale Aktien, Staatsanleihen und Unternehmensanleihen). Die geschätzten Korrelationen der Themen gegenüber den Kerntiteln können zum Nennwert eingerechnet werden. Das aus dem Modell abgeleitete geschätzte thematische Alpha wiederum bedarf einer genaueren Prüfung, da es auf der Vergangenheit basiert, während der Wert eines Themas als Anlage zukunftsorientiert ist.
Wie Themeninvestments mit anderen Anlagen korrelieren können und welchen traditionellen Risiken sie ausgesetzt sind, zeigen wir am Beispiel von fünf Themen: Energiewende, ökologische Nachhaltigkeit, Gesundheits-Innovation, Konsumenten-Innovation und disruptive Technologie. Zunächst wählen wir Instrumente, die in diese Themen investieren, typischerweise Investmentfonds oder ETF, die in diesen Themen einen Schwerpunkt haben. Das Thema „ökologische Nachhaltigkeit“ wird durch einen Aktien- und Rentenfonds umgesetzt, die anderen Themen durch reine Aktienfonds.
In der Tabelle werden typische Benchmark-Indizes betrachtet, die in verschiedenen Themenbereichen verwendet werden. Die dritte Spalte der Tabelle zeigt das Beta dieser Benchmark-Indizes gegenüber dem globalen Index. Für Aktienfonds wurde der MSCI World Index und für Rentenfonds der Bloomberg Barclays Global Aggregate Corporate Index gewählt. Einige der Benchmark-Indizes verfügen über ein Beta von über eins, etwa Disruptive Technologie und Konsumenten-Innovation – das bedeutet, die Wertentwicklung schwankt stärker als der breite Markt. Andere hingegen weisen ein Beta von unter eins auf und schwanken weniger. Dazu zählt beispielsweise das Thema Gesundheit.
Dies ist bei der Vorhersage von Renditen und bei der Zusammenstellung des endgültigen Portfolios natürlich zu berücksichtigen.
Risikoexposure von Themeninvestments
Die Renditedaten für die Benchmark-Indizes in Tabelle 1 sind nützlich, um die Exposition des jeweiligen Themas gegenüber traditionellen Risikofaktoren zu untersuchen. Tabelle 2 zeigt nun die Exposition dieser Referenzindizes gegenüber den sechs Faktoren in einem Risikomodell für die strategische Asset-Allokation. Dabei sind die Benchmark-Indizes für Investmentthemen, bei denen mehr als eine Benchmark in Betracht kommt, der Einfachheit halber gleich gewichtet.
Der erste dieser Faktoren, das Marktrisiko, spiegelt ein Portfolio wider, das in risikoreiche Vermögenswerte wie Aktien und Unternehmensanleihen investiert ist, Staatsanleihen jedoch ausschließt. Der zweite Faktor, die Duration, spiegelt das Engagement in zinsanfälligen Assets wider, darunter Staatsanleihen, Unternehmensanleihen und Schuldtitel aus Schwellenländern. Der Faktor Schwellenländer/Rohstoffe spiegelt das Engagement in Schwellenländern und Rohstoffen wider, die Faktoren USA und Asien/Japan das Engagement in den USA beziehungsweise Asien und Japan. Diese Faktoren sind orthogonal zueinander und sind Linearkombinationen bekannter Aktien-, Renten- und Rohstoffindizes, in die investiert werden kann. Wir haben 17 solcher Indizes verwendet und einen Rahmen angewandt, den wir auch in unserem jüngsten Research verwenden (siehe beispielsweise Issaoui et al. 2021).
Wie beeinflussen nun die Investmentthemen das Risiko im Portfolio? Ein großer Anteil des Gesamtrisikos, beschrieben durch den Marktrisikofaktor, entfällt auf die Themeninvestments, die in der Beispiel-Strategie abgedeckt werden. Die Korrelation gegenüber dem Durationsrisiko ist gering negativ, das gegenüber Unternehmensspreads und dem Risikofaktor USA gering positiv.
Disruptive Technologien, Innovationen im Gesundheitswesen und Verbraucherinnovationen haben auch ein geringes negatives Exposure gegenüber dem Risikofaktor Asien/Japan. Das Thema „Disruptive Tech“ hat ein zusätzliches geringes positives Exposure gegenüber dem Faktor EM/Rohstoffe, während die anderen Themen ein geringes, aber negatives Exposure gegenüber diesem Faktor aufweisen. Das Thema ökologische Nachhaltigkeit, das mit Hilfe von Anleihen umgesetzt wird, hat einen größeren Anteil am Durationsrisiko und einen geringen beim Marktrisikofaktor. Die Exposition gegenüber allen anderen Faktoren ist negativ, aber gering.

Spezifisches Risiko ist groß
Wenig überraschend erklärt sich ein Teil des Risikos dieser thematischen Strategien durch die Exposition gegenüber den traditionellen Risikofaktoren im Risikomodell – das zeigt ein Blick auf die Zeile für das systematische Modellrisiko in Tabelle 2. Dennoch bleibt in allen drei Fällen das Risiko, das nicht durch die traditionellen Risikofaktoren erklärt wird, signifikant, wie aus der Zeile für das modellspezifische Risiko in Tabelle 2 hervorgeht.
Betrachtet man das Thema Innovationen im Gesundheitswesen, so werden etwa 40 Prozent der Gesamtvarianz der Renditen (das Quadrat des Gesamtrisikos) der Benchmark des Fonds, der dieses Thema umsetzt, nicht durch die traditionellen Risikofaktoren erklärt (das Quadrat des modellspezifischen Risikos). Bei der Verbraucherinnovation beträgt der Beitrag der modellspezifischen Varianz zur Gesamtvarianz der Renditen des Benchmark-Fonds etwa 20 Prozent, während bei dem disruptiven Technologiethema die modellspezifische Varianz etwa 29 Prozent zur Gesamtvarianz der Renditen beiträgt, die der Benchmark der Fonds dieses Themas zugrunde liegen. Bei den nachhaltigen Themen ist der Beitrag des spezifischen Risikos zur Varianz des Themas mit neun Prozent für die Energiewende und zwölf Prozent beziehungsweise sieben Prozent für ökologische Nachhaltigkeit bei Aktien und Anleihen geringer. Diese Risiken spielen eine wichtige Rolle bei der Festlegung der endgültigen Allokation auf die Themen. Die Tatsache, dass die Instrumente, die für Investitionen in die Themen verwendet werden, mit traditionellen Risikofaktoren verbunden sind, sollte bei der Entscheidung über die optimale Allokation in jedes Thema berücksichtigt werden.
Hagen Schremmer ist CEO von BNP Paribas Asset Management Deutschland, Nader Purschager ist Leiter Institutional Sales Germany. BNP Paribas Asset Management ist der unabhängige Vermögensverwalter des französischen Finanzdienstleistungskonzerns BNP Paribas. Er verwaltet ein Vermögen von 537 Milliarden Euro mit verschiedenen aktiven, passiven und quantitativen Investmentlösungen für eine Vielzahl von Anlageklassen und Regionen. (Stand: 31. Dezember 2021)